LEBENSKUNST – Begegnungen am Sonntagmorgen, 19.12.2021

Jüdisches Eisenstadt, Menschwerdung und Menschheit

Und er wird der Friede sein – Bibelessay zu Micha 5, 1-4a | Menschwerdung und Menschheit, Teil 1 – Gedanken von Edith Stein | Stille Gassen und viele Erinnerungen – Das jüdische Viertel in Eisenstadt | Was ich mir für Weihnachten und das Neue Jahr wünsche – Gedanken aus verschiedenen Perspektiven.

Und er wird der Friede sein

Bibelessay zu Mi 5,1-4a

Wann genau Jesus von Nazareth geboren wurde, ist nicht bekannt – wo genau (in Judäa oder Galiläa) auch nicht. Wenn Lukas und Matthäus im Neuen Testament von Bethlehem in Judäa als Geburtsort sprechen, dann zitieren sie Propheten aus der Hebräischen Bibel, dem Alten oder Ersten Testament: etwa Micha, der im 8. Jahrhundert v. Chr. gewirkt hat.

So sind schon die Erzählungen der 2000 und mehr Jahre alten Bücher Theologie und damit Rede von einer größeren Hoffnung. Beim Textabschnitt aus dem Buch Micha, der in katholischen Kirchen für den 4. Adventsonntag vorgesehen ist, geht es um Gerechtigkeit und Frieden. Gedanken dazu von der Theologin Mirja Kutzer, die an der Universität Kassel lehrt.

Menschwerdung und Menschheit, Teil 1 – Gedanken von Edith Stein

Erstes und Zweites Testament, Judentum und Christentum: Nicht nur – besonders aber auch – zu Weihnachten, wird deutlich, wie sehr die beiden Religionen miteinander verknüpft sind. Hat sich das Fest doch rund um die Geburt eines jüdischen Mannes aus Nazareth entwickelt. Was es Menschen von heute bedeuten kann, dazu wird nach wie vor gedacht, geschrieben, gemalt und musiziert. 1931 hat die Philosophin Edith Stein einen bemerkenswerten Vortrag dazu gehalten, „Das Weihnachtsgeheimnis. Menschwerdung und Menschheit“.

Bemerkenswert auch der spirituelle Werdegang der Intellektuellen, die Assistentin von Edmund Husserl war: Vor 130 Jahren, im Oktober 1891, in Breslau in eine orthodoxe jüdische Familie geboren, wurde sie zunächst Atheistin und später Christin. Nach der Lektüre der Autobiographie der Teresa von Avila ist Edith Stein 1922 zur katholischen Kirche konvertiert, 1933 in den sogenannten Karmel eingetreten. Das ist jene katholische und intensiv kontemplative Ordensgemeinschaft, die sich auf das gleichnamige Gebirge in Israel und den alttestamentlichen Propheten Elija bezieht, der dort in einer Höhle gelebt haben soll.

1942 wurde die Ordensfrau jüdischer Herkunft im KZ Auschwitz ermordet. „Wer die Wahrheit sucht, der sucht Gott, ob es ihm klar ist oder nicht“, gehört zu ihren bekanntesten Zitaten. Schauspielerin Andrea Eckert gibt in sechs Folgen den Weihnachtsvortrag Edith Steins wieder.

Das jüdische Viertel in Eisenstadt

2021 wurden 100 Jahre Burgenland gefeiert und daran erinnert, dass 1921 Deutsch-Westungarn zu Österreich gekommen ist. Diese 100 Jahre spielen aus jüdischer Sicht so gut wie keine Rolle, zumindest keine, die es zu feiern gilt, sagt der Direktor des Jüdischen Museums Eisenstadt, Johannes Reiss. Aus jüdischer Perspektive sollte man im Burgenland von 1.800 Jahren sprechen und durch Erzählungen die einstmals blühenden jüdischen Gemeinden in Erinnerung rufen, so Reiss.

In Eisenstadt gab es eine solche Gemeinde, gelegen neben dem Schloss und unter dem Schutz der fürstlichen Familie Esterhazy. Maria Harmer hat gemeinsam mit Johannes Reiss und mit Thomas Trebitsch, dem Nachkommen einer der alteingesessenen jüdischen Familien der burgenländischen Landeshauptstadt, das alte jüdische Viertel besucht.

Was ich mir für Weihnachten und das Neue Jahr wünsche

Vor Weihnachten und zum Beginn des Neuen Jahres bringt LEBENSKUNST Gedanken, Hoffnungen und Wünsche von Menschen unterschiedlicher Religionen und Weltanschauungen, mit denen sie durch diese besonderen Tage gehen. Den Anfang macht die katholische Ordensfrau, Theologin und Organisationsentwicklerin Christine Rod. Für sie hat das Wünschen – besonders auf Weihnachten hin – mit einer anderen, größeren Wirklichkeit zu tun: „Mit dem Vertrauen, dass alles noch einmal ganz anders sein kann – vielleicht weil ich von mir selber, von meinen Mitmenschen, von Gott zu klein gedacht habe.“

Redaktion & Moderation: Doris Appel