Praxis – Religion und Gesellschaft, 29.12.2021

Desmond Tutu, Reggae, Sternsingen und eine neue Synagoge

Desmond Tutu | Bunny Wailer, Lee Perry und U-Roy – Rastafari im Dorf der Ahnen | Sternsingen für die Bewohner/innen des Regenwaldes |

Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu ist tot

Der anglikanische Erzbischof Desmond Tutu ist im Alter von 90 Jahren gestorben. Das hat die südafrikanische Regierung am 26. Dezember mitgeteilt. Der Friedensnobelpreisträger war jahrzehntelang das moralische Gewissen Südafrikas und hat maßgeblich zur Überwindung der Apartheid beigetragen. Als erster Schwarzer wurde Desmond Tutu 1986 zum Oberhaupt der anglikanischen Kirche in Südafrika ernannt.

Für die Schwarze Bevölkerung wurde er schnell zum Volkshelden, aber auch viele weiße Südafrikanerinnen und Südafrikaner waren fasziniert von seiner Idee einer Aussöhnung der südafrikanischen Gesellschaft. Nach seinem Rücktritt als Erzbischof von Kapstadt 1996 hat Tutu als Vorsitzender der südafrikanischen „Wahrheitskommission“ gewirkt. Diese sollte Verbrechen im Apartheid-Staat zwischen 1960 und 1994 aufklären.

Sein Freund Nelson Mandela hat ihm gedankt: Tutus Begleitung auf dem langen Weg in die Freiheit, habe die Achtung vor dem Leben und den Menschenrechten gefördert, unabhängig von Hautfarbe, Religion, Geschlecht oder Alter. Wortgewaltig und pointiert hat sich Tutu auch in Fragen der Religion zu Wort gemeldet: Gott sei nicht auf der Seite einer Religion, sondern auf der Seite der Armen, Hungernden und Versklavten. Nicht umsonst trägt eines seiner Bücher den Titel „Gott ist kein Christ“. Gestaltung: Alexandra Mantler / Judith Fürst

Bunny Wailer, Lee Perry und U-Roy – Rastafari im Dorf der Ahnen

„Ich denke, mittlerweile weiß die Welt, dass Bunny Wailer ein original Wailer ist – einmal ein Wailer, immer ein Wailer. Und ich weiß, dass ich ohne die Wailers nur Bunny wäre“, hat Bunny Wailer, Gründungsmitglied der legendären Wailers, gemeinsam mit Bob Marley und Peter Tosh in einem Interview gesagt. Im vergangenen Jahr ist die Reggae-Ikone aus diesem Leben „in das Dorf der Ahnen“ übergewechselt, wie Rastafari es ausdrücken würden.

Auch zwei weitere prägende Gestalten der Reggae-Szene sind in den vergangenen Monaten diesen Weg gegangen: Der „People Funny boy" Lee Perry, ein Schamane, ein „Madman“, ein Gesamtkunstwerk und „Daddy U-Roy“, der als Vater unzähliger elektronischer Musikstile wie Grime, Hip Hop, Drum and Bass oder Dubstep gilt.

Buchtipps:
Werner Zips ist Herausgeber des Buches „Rastafari – eine universelle Philosophie im 3. Jahrtausend“ (Promedia, 2010)
und Autor von „Hail di Riddim – Reportagen aus dem Reggaeversum JamaicAfrica“ (Promedia, 2015).

David Katz: People Funny Boy: The Genius of Lee ‚Scratch‘ Perry. ‎ White Rabbit Books
(14. Dezember 2021)

Für alle drei war ihr musikalisches Schaffen eng verbunden mit ihrer Identität als Rastafari, also als Anhänger einer postkolonialen Philosophie oder Religion der Befreiung, die Menschen auf der ganzen Welt bis heute inspiriert.

„Rastafari ist nicht leicht zu fassen“, stellt der Kultur- und Sozialanthropologe Werner Zips fest, „da es zum einen als Religion betrachtet wird, weil es ja einen Gottesbegriff gibt, eben Kaiser Haile Selassie und auch sehr viele religiöse und spirituelle Inhalte und Rückbezüge auf das Alte Testament, aber auf der anderen Seite gibt es Rasta, die sagen, es sei eher eine Philosophie und Kultur und manche gehen sogar soweit, Religion als Teil des unterdrückerischen Systems Babylon zu bezeichnen.“

Gestaltung: Alexandra Mantler und Werner Zips.

Sternsingen für die Bewohner/innen des Regenwaldes

Mit Abstand und Maske – so sind auch in diesen Tagen wieder rund 85.000 Sternsingerinnen und Sternsinger im Rahmen der Dreikönigsaktion der katholischen Jungschar unterwegs, um Spenden zu sammeln: auch für Projekte, die die indigenen Völker Brasiliens unterstützen. Ihre Heimat ist der Regenwald des Amazonas-Beckens mit seiner außergewöhnlichen Artenvielfalt.

Vor allem seit dem Amtsantritt von Präsident Jair Bolsonaro vor knapp zwei Jahren sind die indigenen Völker und ihr Lebensraum stark bedroht, Landraub, Rodungen und gewalttätige Übergriffe bis hin zum Mord an Indigenen, die als „Wächter des Regenwaldes“ im Einsatz sind, häufen sich. Im Vergleich zum Vorjahr gab es heuer um 83 Prozent mehr Brände und Waldrodungen mit verheerenden Folgen für Umwelt und Klima.

Die Organisation CIMI unterstützt als Partnerorganisation der Dreikönigskation seit vielen Jahren Angehörige der indigenen Völker in Brasilien, hilft ihnen etwa, ihre Landrechte durchsetzen und damit auch den Regenwald zu schützten. Helene Dallinger hat mit Pedro Silva Souza von CIMI und der Länderreferentin der Dreikönigsaktion für Brasilien, Marieta Kaufmann über die aktuelle Lage im Amazonas-Gebiet in Brasilien gesprochen.

Eine neue Synagoge für Ljubljana

Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden rund sechs Millionen Jüdinnen und Juden ermordet und in ganz Europa auch tausende Einrichtungen jüdischen Lebens zerstört: Versammlungsräume, Bethäuser und Synagogen. Das Ziel war die Auslöschung des Judentums.

Stand in den vergangenen Jahrzehnten vor allem das Gedenken an diese Gräueltaten im Vordergrund, will man in vielen jüdischen Gemeinschaften nun den Blick vermehrt auf die Zukunft richten und neues jüdischen Leben in den Mittelpunkt rücken. So auch in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana, wo heuer am 9. November die neue Synagoge eröffnet wurde, also bewusst an jenem Tag, an dem im Zuge der Novemberpogrome 1938 in Mitteleuropa Synagogen brannten. Gestaltung: Marcus Marschalek.