Praxis – Religion und Gesellschaft 22.12.2022

Lyra von Ur soll wieder klingen

Lapislazuli, Gold und Meeresmuscheln – „Interreligiöses“ Handwerkerteam baut die Lyra von Ur neu | Weihnachten im neuen Zuhause – Neuanfang für armutsbetroffene Frauen | Was glauben Musliminnen und Muslime? – Standardwerk der Islamwissenschaft neu aufgelegt

„Interreligiöses“ Handwerkerteam baut die Lyra von Ur neu

Der Lapislazuli kommt aus Afghanistan, das Gold aus Ägypten, dazu schillernde Meeresmuscheln, die die kostbare Schnitzarbeit zieren. Die Stierkopflyra aus Ur in Mesopotamien war die älteste Harfe der Welt – bis sie 2003 zerstört wurde. Im Jahr 1929 machten zwei britische Archäologen, Leonard Woolley und Max Mallowa, einen Sensationsfund bei den frühdynastischen Königsgräbern in Ur in Mesopotamien. Sie entdeckten eine Jahrtausende alte Lyra, die goldene Stierkopfleier von Ur. Mit dabei war damals die künftige Ehefrau von Max Mallowan, die Krimiautorin Agatha Christie, die gerade für ihren Roman „Mord in Mesopotamien“ recherchierte.

Bis zum Jahr 2003 war die goldene Lyra von Ur im Nationalmuseum von Bagdad zu bewundern. Doch nach dem Einmarsch von US-Soldaten, kam es zu Plünderungen, im Zuge derer sie schließlich zerstört wurde. Vier Handwerker haben sich zum Ziel gesetzt, die zerstörte Lyra wiederauferstehen zu lassen: ein multi-religiöses Friedensprojekt. Der Tiroler Harfenbauer Norbert Maier hat, ebenso wie der Innsbrucker Goldschmied Peter Pfötscher, der irakische Mosaikenbauer Mohamad al Janabi und der Südtiroler Schnitzer Filip Moroder, bereits unzählige Arbeitsstunden in die Rekonstruktion des archaischen Instrumentes gesteckt.

Die vier Handwerker nennen ihr Projekt „Friedenssaiten – strings for peace“ und verbinden dabei Länder ebenso wie Glaubensrichtungen: Peter Pfötscher ist Zen-Buddhist, Filip Moroder ist Katholik, Norbert Maier ist Atheist und Mohamad al Janabi ist Muslim. Gemeinsam haben sie ein Ziel: der irakischen Bevölkerung mit der Lyra ein Stück ihres kulturellen Erbes wiederzugeben, ein Geschenk für das Nationalmuseum in Bagdad. Gestaltung: Gundi Lamprecht.

Neuanfang für armutsbetroffene Frauen

Mehr als 200.000 Frauen in Österreich leben in Armut, eine halbe Million Frauen sind armutsgefährdet. Besonders betroffen sind Alleinerzieherinnen und Pensionistinnen. Frauenarmut sei vor allem ein strukturelles Problem, sagt Anna Parr, Generalsekretärin der Caritas: Auslöser seien hohe Lohnunterschiede zwischen Mann und Frau, Karenz und Teilzeit und die unbezahlte Betreuung von Angehörigen.

Frauen sind auch massiv von Wohnungslosigkeit bedroht, aber diese bleibt oft „unsichtbar“. Eine Anlaufstelle für Betroffene sind das Haus Miriam und das Haus Immanuel der Caritas. Um ihre Unterstützung auszudrücken, haben sich hier unlängst auch die beiden Schauspielerinnen Hilde Dalik und Pia Hierzegger eingefunden, um abends aufzukochen. Lena Göbl war dabei. Sie hat auch eine Frau besucht, die bereits den nächsten Schritt geschafft hat und Weihnachten in ihrer eigenen Wohnung feiern kann.

Standardwerk der Islamwissenschaft neu aufgelegt

„Die Glaubenslehren des Islam“ heißt das monumentale Werk von Hermann Stieglecker, es gilt als ein Meilenstein in der Geschichte der Islamwissenschaft in Europa. Erstmals ist das Werk in den 1960er-Jahren erschienen und dank seiner umfangreichen Sprachkenntnisse hat der katholische Priester und Theologe Stieglecker auch viele Originalquellen für eine breitere Leserschaft aufbereitet.

Buchhinweis

Hermann Stieglecker: Die Glaubenslehren des Islam. Neuedition der Auflage von 1983. Mit Einleitungen von Petrus Bsteh, Mouhanad Khorchide und Rüdiger Lohlker. Brill Verlag 2021

Stiegleckers Arbeit ist auch in die Vorbereitung der Erklärung „Nostra aetate“ über die Haltung der katholischen Kirche zu den nichtchristlichen Religionen von Paul VI. 1965 eingeflossen. 2021 ist das Buch in einer neuen Edition erschienen. Aber wie beurteilen Musliminnen und Muslime das Werk heute? War Stieglecker eher gönnerhafter „Islam-Versteher“ oder Pionier der Verständigung? Lise Abid war auf der vierten Stieglecker-Gedächtnistagung im oberösterreichischen Stift St. Florian und hat nachgefragt.

Moderation: Alexandra Mantler