Lebenskunst 9.1.2021, Radioessay Carla Amina Baghajati

Von der Kunst des Wünschens

Wünsche können etwas geradezu Gefährliches an sich haben. In Märchen und Sagen ist das Motiv unbedacht und unvernünftig eingesetzter Wünsche verbreitet.

Bratwürste an der Nase, die mit dem letzten von drei gewährten Wünschen weggezaubert werden müssen, sind da noch das Harmloseste. Viel schlimmer Midas, der sich gewünscht hat, dass alles was er anfasse, zu Gold werde und nicht mehr essen und trinken kann.
„Achte auf deine Wünsche – sie könnten wahr werden!“, lautet ein alter Weisheitsspruch. Hier tut sich die Unterscheidung, aber auch die Beziehung zwischen Wunsch und Vorsatz auf. Beim Wunsch schwingt mit, dass hier Kräfte im Spiel sind, die außerhalb des eigenen Einflusses liegen. Religiöse Menschen würden auch von Gnade sprechen, vor allem, wenn sich Gutes erfüllt. Wer von einem „barmherzigen Gott“ überzeugt ist, findet auch einen Weg, im scheinbar Schlechten, etwas zu sehen, aus dem Positives erwächst.
Der Vorsatz dagegen verweist auf die eigene Verantwortung. Ohne eigenes Zutun geht es nicht. Sich etwas wünschen und dann mit ganzer Kraft und Seele darauf hinstreben, das birgt am ehesten die Chance in Erfüllung zu gehen. Aus islamischer Perspektive ist schon der gute Vorsatz verdienstvoll, wobei sich der Verdienst mit dem Umsetzen vervielfacht.

Carla Amina Baghajati
ist Obfrau für das „Forum muslimische Frauen Österreich“ und Mitgründerin der „Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen“

Im Koran sagt Gott von Sich: „Und wenn dich Meine Diener nach Mir fragen – siehe Ich bin nahe. Ich erhöre den Ruf dessen, der Mich ruft, wann immer er zu Mir ruft…“. Daran fasziniert mich die Verbindung zwischen der Einladung, alle Wünsche vor Gott zu bringen und auf Seine Gnade zu vertrauen, sowie dem eigenen Anteil, dem Selbst-aktiv-Werden.

Wer sich angewöhnt, Wünsche für sich selbst schriftlich zu formulieren, gibt ihnen mehr Verbindlichkeit. Ein Bittgebet geht darüber hinaus in eine spirituelle Dimension, stärkt das Selbstbewusstsein und das Gottvertrauen – weniger dahingehend, dass sich alles hundertprozentig erfüllen müsse, als vielmehr im Wach- und Offensein für das Kommende und es positiv auf sich und das eigene Umfeld beziehen können.

Wünsche wollen mit Bedacht formuliert sein: Möglichst konkret, das heißt auch einen größeren Kontext mitbedenkend. Positivformulierungen geben positive Energie. Günstig ist auch, einen zeitlichen Rahmen zu setzen, damit eine gewisse Messbarkeit möglich ist. Lieber viele kleine Erfolgserlebnisse als ein schier unerreichbares Ziel.

Wünsche laden ein zur Selbstreflexion und konfrontieren mich damit in einer Weise mit mir selbst, die mir hilft, an mir zu arbeiten. Wenn ich dabei statt mit: „Ich möchte…“ oder „Ich will…“, lieber mit „Ich bin bereit…“ starte, schaffe ich einen zusätzlichen Motivationskick, weil ich nicht vom Mir-Fehlenden ausgehe, sondern von dem, wo ich konkret ansetzen kann, wo es schon etwas zum Aufbauen gibt.

Nicht zuletzt geht es beim Wünschen auch um die Beziehung mit anderen und zur Welt. So lohnt es sich die eigene Absicht immer wieder zu hinterfragen, etwa um Wünsche auszuschließen, im Vergleich mit anderen „besser“ dazustehen. Derlei Eitelkeiten sind Sackgassen. Dagegen werde ich merken, dass ein Wunsch, auf dessen Weg zur Erfüllung ich persönlich wachse, auch meine sozialen Kontakte positiv mitgestaltet. Und wenn ich beim Wünschen andere mitbedenke, so werde ich immer wieder die Erfahrung machen, dass dies auch mir selbst guttut.

Im vergangenen Jahr habe ich immer wieder in resignierendem Ton den Satz gehört: „Das Leben ist kein Wunschkonzert.“ – und bin darüber irgendwie erschrocken. Zu wünschen bedeutet auch, zu hoffen und zu vertrauen, schließlich und vor allem, Danken zu können. Gerade in von vielen, als schwierig empfundenen Zeiten, wünsche ich uns, dass wir bewusst die Kunst des guten Wünschens üben, – und uns ein „Konzert guter Wünsche“, einen guten Weg gehen lasse!