Lebenskunst 16.1.2022,

Bibelessay zu Johannes 2, 1-11

Am dritten Tag

1 Am dritten Tag fand in Kana in Galiläa eine Hochzeit statt und die Mutter Jesu war dabei. 2 Auch Jesus und seine Jünger waren zur Hochzeit eingeladen. 3 Als der Wein ausging, sagte die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. 4 Jesus erwiderte ihr: Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. 5 Seine Mutter sagte zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut! 6 Es standen dort sechs steinerne Wasserkrüge, wie es der Reinigungssitte der Juden entsprach; jeder fasste ungefähr hundert Liter. 7 Jesus sagte zu den Dienern: Füllt die Krüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis zum Rand. 8 Er sagte zu ihnen: Schöpft jetzt und bringt es dem, der für das Festmahl verantwortlich ist! Sie brachten es ihm. 9 Dieser kostete das Wasser, das zu Wein geworden war. Er wusste nicht, woher der Wein kam; die Diener aber, die das Wasser geschöpft hatten, wussten es. Da ließ er den Bräutigam rufen 10 und sagte zu ihm: Jeder setzt zuerst den guten Wein vor und erst, wenn die Gäste zu viel getrunken haben, den weniger guten. Du jedoch hast den guten Wein bis jetzt aufbewahrt. 11 So tat Jesus sein erstes Zeichen, in Kana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit und seine Jünger glaubten an ihn.

„Am dritten Tag“. Mit diesen Worten hat das soeben gehörte Evangelium nach Johannes begonnen. Warum ist diese Zeitangabe wichtig? Von welchem Tag an gerechnet ist es der dritte Tag? Im Judentum, in dessen Tradition auch der Verfasser steht, werden die Wochentage vom Schabbat weg und auf den Schabbat hin benannt. Mit dem dritten Tag wäre der dritte Tag nach dem Schabbat gemeint, also der Wochentag, der im deutschen Sprachraum Dienstag genannt wird. So verstanden ergibt diese Zeitangabe keinen Sinn.

„Am dritten Tag“. Das muss eine andere Bedeutung haben, als die Angabe eines Wochentages. Es erinnert an „Auferstanden am dritten Tag nach der Schrift“ (1 Kor 15,3-5). So schreibt der Apostel Paulus in seinem 1. Brief an die Gemeinde in Korinth. „Am dritten Tag“ ist also das Zeitmaß der Auferstehung. Dieses Zeitmaß kennt bereits 700 Jahre davor der Prophet Hosea: „Am dritten Tag richtet uns der Herr wieder auf und wir leben vor seinem Angesicht.“ (Hos 6,1-3) All das schwingt in dem gegen Ende des 1. Jahrhunderts verfassten Evangelium mit.
Noch kurz zum Wein, Symbol der Freude: Die erzählte Hochzeit droht am Mangel an Wein zu scheitern. Jesus sichert die Freude und rettet das Fest, das in der jüdischen Tradition ein Zeichen für das Kommen Gottes ist. Wenn alle Menschen Hochzeit feiern, dann wäre die Welt, die der Gott der Bibel verheißt, vollkommen Wirklichkeit geworden.

Der Textabschnitt endet mit „Jesus offenbarte seine Herrlichkeit“. Mit dem Wort „Herrlichkeit“ wird das griechische doxa und das ihm zugrundeliegende hebräische kawod unzureichend und missverständlich übersetzt. Es braucht sensiblere, zärtlichere Worte, um die gemeinte Wirklichkeit zu beschreiben, nämlich die Erfahrung der Nähe und Gegenwart Gottes, dem Geheimnis allen Lebens. Als Annäherung könnten Lichtglanz und Schönheit dienen: Der Lichtglanz Jesu verweist auf die Schönheit und Zärtlichkeit des Geheimnisses allen Lebens.

Abschließend war zu hören: Seine Schülerinnen und Schüler glaubten an ihn. In der jüdischen Tradition bedeutet glauben: Sie tun Gottes Wille und bereiten ihm so auf Erden eine Wohnung.
Morgen wird wie jedes Jahr am 17. Jänner in christlichen Kirchen der Tag des Judentums begangen. Mit diesem Tag wollen die Kirchen in Österreich erreichen, dass Christinnen und Christen sich ihrer Wurzeln im Judentum und ihrer Weggemeinschaft mit dem Judentum bewusst werden. Hier stünde an erster Stelle Dankbarkeit für Jesus von Nazareth, den gläubigen Juden, den sie als Christus, als Messias bekennen. Treffend hat Bischof Manfred Scheuer betont: „Für Christen ist Jesus ohne sein Judentum nicht zu haben.“ Viel zu wenig wird zu Weihnachten wahrgenommen, dass in der Krippe ein jüdisches Kind liegt.

Zugleich lädt dieser Tag ein, des Unrechts zu gedenken, das an jüdischen Menschen und ihrem Glauben begangen wurde. Im Jahre 2022 bedeutet es aber auch, gegen den aktuellen Missbrauch von Judensternen bei Demonstrationen zu protestieren, der empörend und völlig inakzeptabel ist. Alle wissen, welche grausamen Erinnerungen damit geweckt und wie hier Vertreibung und Ermordung jüdischer Menschen verharmlost werden. Der Schock über die Shoa sitzt zu wenig tief, der Schmerz über die Lücke, die Ermordete und Vertriebene hinterlassen haben, ist zu gering und die Freude über das wieder aufblühende jüdische Leben fehlt völlig. Ich lade zu einem Umdenken ein.