Mittwoch, 19.1.2022, Arno Dusini

Der Witz der Zensur

„Griesgrämig“, „mürrisch“ also oder „missmutig“ – so lautet das Attribut, mit dem man die Person Grillparzers verbindet.

Solche Psychologisierung unterschlägt allerdings Grillparzers Witz. Wenn man „Witz“ – langes Gedächtnis der Worte – mit Wissen in Verbindung bringt, so war Grillparzer nicht nur einer der Griesgrämigsten, sondern auch einer der Witzigsten. Vielleicht ist Grillparzers Griesgram nur der Ausdruck für eine notwendig widerständige Form des Denkens. Und griesgrämig war er vor allem dann, wenn man ihm vorschreiben wollte, was er zu sagen oder nicht zu sagen hatte.

Arno Dusini
ist Germanist und lehrt an der Universität Wien

Wobei die österreichische Zensur nicht einmal das zustande brachte. „König Ottokars Glück und Ende“, bei der Zensur für die Aufführung eingereicht, verschwand für zwei Jahre im Nichts. Auf der Suche nach seinem Theaterstück wird der Autor an die Staatskanzlei und Hofrat Gentz verwiesen.

Der empfängt Grillparzer im Schlafzimmer, im Bett liegend. In seiner „Selbstbiographie“ schildert Grillparzer diese Komplizenschaft von Tyrannei und Intimität so: „Da waren bewegliche Arme, die Dinte und Feder beim Bedarf näher brachten, ein Schreibpult, das sich von selbst hin und her schob, ich glaube dass selbst der Nachttopf allenfalls durch den Druck einer Feder sich zum Gebrauch darreichte“.

Aber selbst eine solche Erfahrung hindert Grillparzer nicht daran, zwischen allem Für und Wider, über Zensur nachzudenken. Dass der Mensch das Recht habe, zu sagen, was er denkt, weist Grillparzer zurück. Sein Argument: Unrechtes zu sagen, sei eine Handlung, wie Unrechtes zu tun. Eine „gute und vernünftig verwaltete Zensur“ sei aber auch nur „der Idee nach ein Heil für die Menschheit“ – in der Praxis, so die Pointe einer Schrift aus dem Jahr 1837, fehle es an qualifiziertem Personal.

Und dann müsste man auf „Subjekte“ zurückgreifen, die „anmaßend oder gewissenlos genug sind um sich als (…) Kerkermeister gebrauchen zu lassen“. Das waren schon damals keine guten Aussichten.