Lebenskunst, 1.5.2022

Bibelessay zu Johannes 21, 15-19

Um Fürsorge geht es: Petrus wird beauftragt, die Schafe – so das biblische Bild – zu weiden, nicht sie zu melken

Das heutige Evangelium gehört zu den berührendsten Episoden im Johannesevangelium.

Einerseits zeigt es etwas von den entstehenden Leitungsstrukturen im frühen Christentum. Drei Mal wird Simon Petrus mit der Fürsorge für die Herde, wie die Gruppe der Gläubigen in der Bibel genannt wird, beauftragt. In der römisch-katholischen Tradition wird dieser Text auch zur Begründung des Petrusamtes und damit des Papstamtes herangezogen.

Stefan Schröckenfuchs
ist Pastor und Superintendent der evangelisch-methodistischen Kirche in Österreich

Vor allem aber entfaltet die Geschichte einen Zusammenhang zwischen Sendung und Seelsorge: Simon Petrus, das wird an verschiedenen Stellen deutlich, ist nicht nur ein besonders engagierter Jünger Jesu. In seinem großen Engagement schießt er auch immer wieder übers Ziel hinaus. Und er scheitert an seinen eigenen Ansprüchen. Denn sein Anspruch an sich selbst war, notfalls sogar sein Leben für Jesus zu opfern. So sehr liebt er seinen Herrn und Meister; davon war er überzeugt. Doch als man Jesus gefangen nimmt, leugnet er, ihn überhaupt zu kennen. Drei Mal verneint er die Frage, zu Jesus zu gehören, und lässt Jesus im Stich.

Nach Ostern fragt ihn nun der Auferstandene drei Mal: „Liebst du mich?“ Petrus muss sich sogar die Spitze gefallen lassen, dass die erste Frage lautet: „Liebst du mich mehr als die anderen?“

Jesus geht es aber nicht darum, Petrus bloßzustellen. Im Gegenteil, es geht darum, ihn zu rehabilitieren. „Herr, du weißt, dass ich dich liebe.“ Ja, Jesus weiß das. Genau deshalb gibt er Petrus die Chance, es noch einmal zu sagen.

Gleichzeitig wird deutlich klar, auf welcher Basis Petrus beauftragt wird. Petrus ist nicht deshalb prädestiniert, die Schar der Gläubigen zusammenzuhalten, weil er bisher so viel mehr geleistet hätte als andere Jünger. Oder weil er so viel klüger wäre als andere. Die Grundlage für seinen Leitungsdienst ist schlicht seine Liebe zu Jesus. Diese Liebe ist trotz seines Scheiterns glaubwürdig; und vielleicht auch gerade durch das Scheitern geläutert. Diese Liebe soll sich nun in der Fürsorge für die Gläubigen entfalten. Denn um Fürsorge geht es: Petrus wird beauftragt, die Schafe – so das biblische Bild – zu weiden, nicht sie zu melken.

Der Dialog zwischen Simon Petrus und dem Auferstandenen hebt für mich einen wichtigen Aspekt von Führung in der Kirche hervor. Als Führungsperson in der Kirche bin ich zunächst selbst – wie Petrus – auf die Gnade und Liebe Gottes angewiesen ist. Ich muss nicht vollkommen sein; und ich muss vor Gott mein Scheitern nicht verbergen. Die Grundlage jedes Dienstes in der Kirche ist die Liebe zu Gott und zu den Menschen; Gottes- und Nächsten-Liebe wird das im jüdisch-christlichen Kontext genannt. Diese Liebe soll sich in Fürsorge für jene auswirken, die mir anvertraut sind.

Dass zu jeder Form von Führung auch die Fürsorge für jene gehört, die mir z.B. als Mitarbeiterinnen anvertraut sind, ist etwas, woran wir uns gerade heute, am Tag der Arbeit, vielleicht auch in anderen Zusammenhängen besonders erinnern könnten.