Logos – Glauben und Zweifeln 21.5.2022

Zivilisiert streiten lernen

Ethische Leitlinien im Umgang mit politischen Konflikten: Der Angriffskrieg auf die Ukraine, der die Welt in Atem hält, hat die Notwendigkeit, aber auch die Grenzen der Diplomatie vor Augen geführt.

Denn für eine gewaltfreie Konflikttransformation braucht es Partner, die einander vertrauen und auf Augenhöhe begegnen. Derzeit ist das nicht der Fall. Aber früher oder später muss es wieder zu Gesprächen kommen, die sich an ethischen Kriterien orientieren.

Konflikte gehören zum Wesen der Gesellschaft

Auch in Österreich gab es in den letzten zwei Jahren einen innergesellschaftlichen Konflikt, der nicht befriedet worden ist. Die Corona-Pandemie, das politische Maßnahmen-Management und ein hartnäckiger Widerstand eines Teils der Bevölkerung haben innergesellschaftliche Konflikte und Spaltungen offengelegt, die sich mitten durch Freundeskreise und Familien ziehen. Unterschiedliche Positionen in Sachen Impfung und Impfpflicht beispielsweise belasten nicht nur Freundschaften, sondern auch am Arbeitsplatz. Und Corona ist nur ein Problem. Die Klimaschutzmaßnahmen, die uns die nächsten Jahrzehnte begleiten werden, haben das Potenzial in unserer Gesellschaft noch tiefere Gräben aufreißen.

Logos
Samstag, 21.5.2022, 19.05 Uhr, Ö1

Wie unter einem Brennglas zeigt sich darin, dass die Krise des Miteinanderredens über strittige Themen auch zu einer Krise der Demokratie geworden ist. Wie lässt sich lernen, zivilisiert zu streiten – ohne den Gegner zu entwerten, zu dämonisieren oder ihn oder sie gar als Feind zu sehen?

Konflikte gehören zum Wesen sowohl der Gesellschaft als auch der Politik. Manchmal kann aber ein erzwungener Konsens das Gemeinwohl verfehlen. Eine Ethik des Konfliktes ist deshalb nicht nur daran interessiert, wie Konflikte gelöst werden können, sondern auch daran, wie sie ausgetragen werden sollen. Wie darf man mit einem (politischen) Gegner umgehen? Wie weit reicht die Meinungsfreiheit angesichts von „Fake News“, „Hass im Netz“ und „politischer Korrektheit“? Was schulden demokratische Mehrheiten der Minderheit – oder sogar den Gegnern der Demokratie? – Eine Kultur des zivilisierten Streitens könnte einen wesentlichen Beitrag liefern, der Spaltung in der Gesellschaft entgegenzuwirken.

Gestaltung: Johannes Kaup