Praxis – Religion und Gesellschaft 11.5.2022

Geflüchtete „erster und zweiter Klasse"

Russisch-orthodoxer Patriarch Kyrill | Zweiklassengesellschaft unter Flüchtlingen | Dramen an polnischer Grenze | Taliban verpflichten Frauen zu Burka

Patriarch Kyrill nennt Kritik an seiner Person „Blödsinn“

Russland habe nie einen Angriffskrieg geführt und wolle keinem Land Schaden zufügen, es besetzen oder plündern. Das hat der russisch-orthodoxe Moskauer Patriarch Kyrill vergangenen Sonntag – ganz offenkundig abseits überprüfbarer Fakten – erneut beteuert. International sorgen die Wortmeldungen des Patriarchen seit Wochen für Empörung. Die EU-Kommission schlägt in ihrem Sanktionspaket auch ein Einreiseverbot für Kyrill und das Einfrieren seines beträchtlichen Vermögens vor.

Praxis
Mittwoch, 11.5.2022, 16.05 Uhr, Ö1

Damit werde Kyrill „auf die Ebene eines Oligarchen gehoben“ und das zeige, „dass Kyrill als kirchliches Oberhaupt, das sich dem Evangelium Christi verpflichtet wissen sollte, längst jede Glaubwürdigkeit verloren hat“, urteilt Dietmar Winkler, Experte für Orientalisches Christentum und ökumenische Beziehungen. Papst Franziskus möchte vermitteln, sorgt allerdings selbst für Aufsehen, wenn er jüngst in einem Interview der NATO eine Mitschuld am Krieg in der Ukraine gibt.

Traditionell auf der Seite Russlands steht hingegen die serbisch-orthodoxe Kirche: Von Patriarch Porfirije war bisher keine Verurteilung des Ukraine-Krieges zu hören, während der serbisch-orthodoxe Bischof von Österreich, Andrej Cilerdzic ganz andere Töne anschlägt: „Wenn sich die Orthodoxie spaltet und mich das näher an die katholische Kirche bzw. die westlichen Christen bringt, dann ist mir das angenehm.“ – Gestaltung: Maria Harmer

Zweiklassengesellschaft unter Flüchtlingen

Der russische Angriffskrieg dauert bereits über zwei Monate an, mehr als fünf Millionen Menschen mussten seither aus der Ukraine flüchten. Der Großteil von ihnen findet in den Nachbarländern Zuflucht, 69.500 Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, sind laut Innenministerium derzeit in Österreich registriert. Die Bilder erinnern mitunter an die Ankunft syrischer Flüchtlinge im Jahr 2015: Hilfsorganisationen und viele freiwillige Helferinnen und Helfer empfangen die Geflüchteten an den Bahnhöfen.

Doch 2015 schlug die anfängliche Hilfsbereitschaft gegenüber Geflüchteten schnell in Skepsis um. Ist es diesmal anders? Inwieweit wird derzeit zwischen „Geflüchteten erster und zweiter Klasse“ unterschieden und welchen Einfluss haben Hautfarbe und Religion auf die Hilfsbereitschaft vieler Menschen? Lena Göbl hat mit Migrationsexpertinnen gesprochen und den Geschäftsführer der Caritas Wien getroffen.

Polen: Dramen an der Grenze

Sehr konkret, nämlich oft eine Frage von Leben und Tod, wird die Ungleichbehandlung von Schutzsuchenden auch in Polen. Rund drei Millionen Menschen sind aus der Ukraine Richtung Polen geflüchtet und werden dort meistens von nicht-staatlichen Organisationen und Privatpersonen offen aufgenommen und betreut. Ein ganz anderes Bild bietet sich hingegen 150 Kilometer weiter nördlich: In der Region Podlasie herrscht Ausnahmezustand, hier beginnt die polnisch-weißrussische Grenze.

Seit fast sieben Monaten versuchen Menschen die Grenze nach Polen zu passieren, die aus dem Nahen Osten oder aus Afrika stammen. „Hier spürt man eine ganz andere Stimmung“, meint Katarzyna Czarnota von der Hilfsorganisation „Die Grenze“. Die Ärztin Paulina Bownik erzählt von polnischen Soldaten, die eine schwangere Frau an Händen und Füßen gepackt und über den Stacheldraht auf die weißrussische Seite geworfen hätten und ähnlichen dramatischen Szenen an der Grenze. – Gestaltung: Martin Motylewicz

Afghanistan: Taliban verpflichten Frauen wieder zur Burka

In Afghanistan werden die Rechte und Freiheiten von Frauen von den Taliban seit ihrer erneuten Machtübernahme im August vergangenen Jahres sukzessive ausgehöhlt. Ein am Samstag verlesenes Dekret des Taliban-Chefs Hibatullah Achundsada schreibt Frauen nun das Tragen einer Burka in der Öffentlichkeit vor. Das ist die bisher strikteste Einschränkung für das Leben afghanischer Frauen seit der neuerlichen Machtübernahme durch die Taliban. – Gestaltung: Lise Abid

Moderation: Alexandra Mantler