Donnerstag, 23.6.2022, Angelika Pressler

Innerer Wert: Mitgefühl

Sie kennen sicher das Kinderspiel: Ich seh‘ etwas, was du nicht siehst, und das ist rot.- Und dann werden alle roten Gegenstände, die sich in der Nähe befinden, aufgezählt

In Abwandlung dieses Kinderspiels sage ich: Ich fühl‘ etwas, was du auch fühlst… Sie wissen es, das nennt man Mitgefühl, oder mit einem Fremdwort ausgedrückt: Empathie.

Angelika Pressler
ist Psychotherapeutin und Theologin in Salzburg

Es ist die menschliche Fähigkeit, ab und zu erspüren zu können, was das Gegenüber fühlt. Das hat nichts mit Hellsehen oder manipulativer Technik zu tun. Das Mitfühlen-Können ist eine Basis für menschliches Zusammenleben. Neurologen haben festgestellt, dass das mit den Spiegelneuronen zusammenhängt.

Mitgefühl ist für den Dalai Lama eine Form praktizierter Ethik. Und auch dieser innere Wert ist meines Erachtens unabhängig von Glauben und Religion. Jeder, jede von uns, ob alt oder jung, arm oder reich, weiß um den Balsam des Mitgefühls. Wie erleichternd es ist, wenn „ein freundlich Auge mit uns weint.“ So beschreibt es Hölderlin, ein deutscher Dichter.

Mitgefühl hat etwas mit Nächstenliebe zu tun. Oder mit einem neutralen Fachbegriff ausgedrückt: Mit Altruismus, das ist eine Tugend, von mir abzusehen und den anderen ins Herz zu nehmen.
In einer Zeit, in der Egoismus, Narzissmus und Selbstbezogenheit Hochkonjunktur haben, ist Mitgefühl wahrlich ein Wert, den es zu hegen und zu pflegen gilt.