Praxis – Religion und Gesellschaft 22.6.2022

Männlichkeit in Zeiten des Krieges

Beschneidung – zwischen Identität und Unversehrtheit | Ukraine-Krieg: Sag mir, wo die Männer sind | Spirituelle Resilienz |

Beschneidung – zwischen Identität und Unversehrtheit

Von der „scharfen Sekunde der Beschneidung“, die am Beginn eines religiösen Bildungsprozesses steht, spricht Yuval Katz-Wilfing, Geschäftsführer des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit.

„Ich darf nicht im Namen meiner eigenen Religionsfreiheit den Körper meines Sohnes verstümmeln“, kontert der österreichisch-französische Historiker, Sozialwissenschaftler und Dozent an der Pariser Sorbonne Jérôme Segal. Die Vorhaut-Beschneidung von Buben wird im Judentum, im Islam und in manchen afrikanischen Kulturen praktiziert. Was wiegt stärker: das Recht auf freie Religionsausübung oder die körperliche Integrität eines nicht-einwilligungsfähigen Menschen? Wer soll oder darf diese Frage überhaupt angemessen diskutieren?

Praxis
Mittwoch, 22.6.2022, 16.05 Uhr, Ö1

Vor diesem Dilemma stand man auch bei einem Symposion zum Thema „Religion und Sexualität“ des Instituts für Religionswissenschaft an der Universität Wien, gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Religionswissenschaft und dem Forschungszentrum für Religion und Transformation. „Nicht von außen urteilend, sondern im Gespräch mit den jeweils betroffenen Religionsgemeinschaften“, mahnt Johann Pock, Dekan der katholisch-theologischen Fakultät an der Universität Wien, Sensibilität ein. Gestaltung: Lisa Ganglbaur

Ukraine-Krieg: Sag mir, wo die Männer sind

„Im Krieg treten die gewohnten traditionellen Strukturen noch einmal verstärkt auf“, meint der Psychotherapeut und Männer- und Geschlechterforscher Erich Lehner. Wo in der Gesellschaft also traditionelle Rollen- bzw. Männerbilder herrschen, zeigen sie sich im Krieg extrem. Daran ändert sich grundsätzlich auch nichts, wenn das Militär Frauen offensteht, außer es gibt strukturelle Veränderungen und echte Gleichstellung, sagt die Genderforscherin im Bereich Sicherheit und Militär, Saskia Stachowitsch. Die Erfüllung von Frauenquoten reiche nicht aus, Männer müssten in allen Lebensbereichen sichtbar Aufgaben übernehmen, die traditionell Frauen zugeschrieben werden und umgekehrt. Dass dies bei weitem noch nicht der Fall ist, zeige sich etwa im Diskurs, der über Flüchtlinge im Ukraine-Krieg geführt werde: Frauen würden als schutzbedürftig wahrgenommen, Männer als die „Starken“, die ihr Land verteidigen müssen. Judith Fürst hat mit dem Männerforscher Erich Lehner und der Genderforscherin Saskia Stachowitsch gesprochen.

Spirituelle Resilienz

Bilder des Schreckens – wie sie in Nachrichten oder sozialen Medien vermittelt werden – graben sich tief ein, haben nachhaltige Auswirkungen. Da ist es heilsam, dem etwas entgegenzuhalten: Bilder von Schutz und Geborgenheit etwa, sagt Sabrina Fuchs-El Bahnasawy, Sozialpädagogin, psychosoziale Beraterin und Mitbegründerin der muslimischen Telefonseelsorge Salam. Eine konstruktive Spiritualität kann in Krisen – persönlichen wie kollektiven – dazu beitragen, Resilienz aufzubauen und zu stärken, ergänzt die katholische Theologin und Supervisorin Sr. Karin Weiler. Auch mit seiner Wut angesichts der herrschenden Zustände könne man Gott konfrontieren. Noch besser als alleine, gelinge es gemeinsam mit anderen den Krisen zu trotzen: Was eine Person allein überfordern würde, kann in der Gemeinschaft gelingen, hebt der evangelische Theologe und Psychotherapeut Roland Kachler hervor. Gestaltung: Brigitte Krautgartner

Moderation: Alexandra Mantler