Logos – Glauben und Zweifeln 9.7.2022

Eine „Symphonie von Staat und Kirche“?

Über die religionspolitischen Hintergründe des Ukraine-Kriegs

Putins Angriffskrieg auf die Ukraine mag auf den ersten Blick als eine Usurpation zur Wahrung militärischer geostrategischer Interessen erscheinen. Viel ist die Rede von einer historischen Revanche post-sowjetischer Kader, die den Kollaps der UdSSR nach wie vor nicht verkraftet haben.

Theologische Konzepte

Wenig bekannt hingegen sind die religionspolitischen Aspekte, die den Ukraine-Krieg Putins ideologisch befeuert haben. Denn sowohl das Konstrukt einer „Russischen Welt“ (Russki Mir), als auch die Vorstellung, dass Russland christliche Werte gegen einen angeblich feindlich gesinnten dekadenten Westen verteidigt, sind ursprünglich theologische Konzepte. Diese politische Theologie der russisch-orthodoxen Kirche beeinflusst die Politik Putins maßgeblich. Eine wichtige Rolle dabei spielt die Emanzipation der ukrainisch-orthodoxen Kirche vom Moskauer Patriarchat.

Logos
Samstag, 9.7.2022, 19.05 Uhr, Ö1

Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill hat zu Beginn keine Worte der Verurteilung des Angriffskrieges gefunden. Im Gegenteil: Er ließ zum Widerstand gegen „böse Kräfte“ beten, wobei im Hintergrund der Gedanke eine Rolle spielen mag, dass der „Bruderkrieg“ von außen – sprich von der NATO und der EU – angezettelt worden sei.

Post-Sowjet-Ära

Jedenfalls ist die in der Post-Sowjet-Ära wieder-erstandene Vorstellung einer „Symphonie von Staat und Kirche“ eine tragische und gefährliche Entwicklung. Denn so verliert die orthodoxe Kirche ihre Unabhängigkeit und das Potenzial als kritische Gegenkraft zu gefährlichen politischen Entwicklungen.

Wie sind diese religionspolitisch wirksamen Positionen entstanden? Welche Fragen stellen sich grundsätzlich an das unheilvoll wirkende Naheverhältnis der russisch-orthodoxen Kirche zu einem sich immer totalitärer entwickelnden Staat wie Russland? Welche Folgen haben sie für den Krieg und für Perspektiven des Friedens?

Gestaltung: Christian Rathner