Tao – aus den Religionen der Welt 15.10.2022

„Geraubte Traditionen“

Wie sich indigene Völker ihre (unterdrückte) Spiritualität zurückerobern. Sie wurden verschleppt, misshandelt, missbraucht, getötet: In den sogenannten Residential Schools in Kanada wurden zig Tausenden Kindern ihre indigenen Traditionen gewaltsam ausgetrieben.

Die Schulen waren mehrheitlich von christlichen Kirchen geführte Internate, das System bestand mehr als 150 Jahre lang. Im Sommer 2022 hat Papst Franziskus Vertreter:innen indigener Communitys in Kanada besucht und um Vergebung für das Leid in katholisch geführten Internaten gebeten.

Tao
Samstag, 15.10.2022, 19.05 Uhr, Ö1

Mission und Kolonialismus

Mittlerweile sprechen viele in diesem Zusammenhang von einem kulturellen Genozid. Indigene Gruppen wie die Inuit wurden ihrer kulturellen und spirituellen Traditionen beraubt – etwa durch rigorose Verbote. Von christlichen Geistlichen wurde ihnen etwa der traditionelle Kehlkopfgesang untersagt, bis in die 1980er Jahre. Und es geht auch um spirituell bedeutsame Gegenstände, die den Gemeinschaften teilweise gestohlen und schließlich in westlichen Museen ausgestellt wurden. Kein auf Kanada beschränktes Phänomen.

Ab Ende des 15. Jahrhunderts werden Menschen von der Westafrikaküste verschleppt. Durch den Handel mit versklavten Menschen verbreitet sich westafrikanische Kultur und Spiritualität unter anderem auf den Kapverden, einem der größten Umschlagplätze des transatlantischen Sklavenhandels, und auch auf Kuba. Die Kolonialmächte und die christlichen Kirchen verbieten dort beispielsweise traditionelle Musik und Tanz, wichtige Identitätsstifter und Bestandteile von Spiritualität und Riten.

Jahrhunderte später fängt eine neue Generation an, sich die Kultur, Musik und Spiritualität ihrer Vorfahr:innen zurückzuholen: Sie lernen Kehlkopfgesänge, trommeln von ihren Eltern weitergegebene Rhythmen und initiieren traditionelle Musikprojekte mit dem Wunsch, einst Unterdrücktes wieder aufleben zu lassen. „Tao“ möchte herausfinden, wie der Raub materieller und das Verbot immaterieller Güter während der Kolonialzeit spirituelle Praktiken indigener Bevölkerungen gewandelt hat. Eine Sendung im Rahmen des multimedialen Jahresschwerpunkts „Mission und Kolonialismus“ der ORF-Abteilung „Religion und Ethik“.

Gestaltung: Amelie Sztatecsny