Freitag, 25.11.2022, Helga Rabl-Stadler

Yoko Onos Blick in den Himmel

„Die Kunst ist die höchste Form von Hoffnung.“ Dieses Statement von Gerhard Richter, einem der erfolgreichsten Maler der Gegenwart, macht viele ratlos – Mich auch

Die Zeiten, da eine Oper ein gutes Ende haben musste, das sogenannte „Lieto fine“, und ein Film ein „Happy End“, ein glückliches Ende, sind längst vorbei. Künstler und Künstlerinnen aller Sparten fürchten nichts mehr als mit dem Begriff Hoffnung ins Reich des Kitsches abgedrängt zu werden. Vincent Van Gogh konnte noch in einem seiner Briefe schreiben „Die Hoffnung durch einen Stern ausdrücken, die Sehnsucht der Seele durch einen strahlenden Sonnenuntergang.“ Man stelle sich vor, ein Künstler würde heute einen Stern malen und dem Bild den Titel „Hoffnung“ geben.

Zukunftserzählungen enden heute meist schlecht. Dystopien haben Hochsaison. Und wie man aus Umfragen in Deutschland und Österreich weiß, schlechte Voraussagen besitzen eine höhere Glaubwürdigkeit als gute.

Helga Rabl-Stadler
ist ehemalige Präsidentin der Salzburger Festspiele

In meiner Studentenzeit war das ganz anders. Da hatte Ernst Blochs „Prinzip Hoffnung“ Hochkonjunktur. Wir hofften, nein wir waren überzeugt, es besser zu machen als unsere Alten, pardon Eltern. Ja, wir leben in unsicheren Zeiten. Da tut Hoffnung als Triebfeder, als Handlungskompetenz, besonders not, damit aus der Krise nicht eine Änderung zum Schlechteren, sondern eine Änderung zum Besseren wird.

Yoko Ono, Muse von John Lennon, vor allem aber selbst Aktionskünstlerin, hat auf ihre unnachahmliche Art zum positiven Blick nach oben aufgefordert: Sie verschickte Postkarten mit einem Loch. Durch dieses Loch sollte der Empfänger seinen Blick in den Himmel richten, der Freiheit verspricht. Reißen wir doch ein Guckloch in die mit schlechten Nachrichten gefüllten Seiten unserer Morgenzeitung, um mit der Hoffnung ein Stückchen Himmel herunter zu holen.