LEBENSKUNST – Begegnungen am Sonntagmorgen, 4.12.2022, 2. Advent

Aufblühen im Winter

Steh auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm! – Bibelessay zu Hohelied 2, 8-13 | Ein Aufblühen mitten im Winter – Barbara von Nikomedien und ihre Zweige | Selbstbestimmt und mit persönlicher Assistenz – Franz-Joseph Huainigg im Porträt | Versuchen, Licht zu geben wie eine Kerze – Oberkantor Shmuel Barzilai

Steh auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm! –

Bibelessay zu Hohelied 2, 8-13

Es ist ein sinnlicher, einnehmender Text, der am Zweiten Adventsonntag in evangelischen Kirchen gelesen wird. „Der Feigenbaum lässt seine Früchte reifen, und die Weinstöcke blühen und duften“, heißt es da. Und weiter: „Steh auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm!“ Das biblische Hohelied, aus dem diese Worte stammen, wird im hebräischen Original „Lied der Lieder“ genannt. Es ist eine Sammlung altorientalischer Liebesgedichte, etwa 200 vor unserer Zeitrechnung entstanden und im Lauf der Jahrhunderte unterschiedlich interpretiert: von der Liebe zwischen Mann und Frau über die Liebe Gottes zu seinem Volk bis zur mystischen Vereinigung der Seele mit Göttlichem. Wie auch immer der Text gedeutet werden mag, die evangelische Theologin und Religionspsychologin Susanne Heine findet in den Zeilen einen Lockruf der Lebensquelle Gott, einen Ruf, der auch gut in den Advent passt.

Ein Aufblühen mitten im Winter – Barbara von Nikomedien und ihre Zweige

Der Brauch, am 4. Dezember Kirschen- oder Zweige von anderen Obstbäumen in eine Vase zu stellen und zu hoffen, dass sie zu Weihnachten blühen, ist nach wie vor verbreitet. Was es allerdings mit diesen „Barbarazweigen“ auf sich hat, ist schon weit weniger bekannt. Der Brauch geht wohl auf die christliche Märtyrerin Barbara von Nikomedien, heute Türkei, zurück, die im 3./4. Jahrhundert gelebt haben soll. Der Legende nach starb sie am 4. Dezember 306 für ihren Glauben; auf ihrem Grab sollen zur Weihnachtszeit Blumen geblüht haben. Lena Göbl hat sich auf die Spuren einer jungen Frau begeben, die in West- und Ostkirche und bis nach Ägypten und Äthiopien als Heilige verehrt wird und unter anderem als Patronin der Bergleute, Architektinnen und Glöckner gilt.

Selbstbestimmt und mit persönlicher Assistenz – Franz-Joseph Huainigg im Porträt

„Ich führe ein Leben inmitten der Gesellschaft, wo Pflege zwar wichtig ist, aber nicht meinen Alltag bestimmt“, wird Franz-Joseph Huainigg nicht müde zu versichern. Seit Kindheitstagen körperlich behindert, bewegt er sich mittlerweile im Elektrorollstuhl fort, wird künstlich beatmet und kann weder Arme noch Beine bewegen.

Buchhinweis:
Franz-Joseph Huainigg: Selbstbestimmt leben, Verlag: Bibliothek der Provinz, 2022

Franz-Joseph Huainigg ist aber auch studierter Germanist, verheiratet und Familienvater. Im Rahmen des Ö1-Inklusionsschwerpunkts „Inklusion gehört gelebt“ hat Brigitte Krautgartner mit Franz-Joseph Huainigg über seine Weltanschauung und sein jüngstes Buch „Selbstbestimmt leben. Erzählungen aus dem Leben mit Persönlicher Assistenz“ gesprochen.

Versuchen, Licht zu geben wie eine Kerze – Oberkantor Shmuel Barzilai

Seit 30 Jahren ist der 1957 in Jerusalem geborene Shmuel Barzilai Oberkantor der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien. 1992 ist er mit seiner Frau, der bildenden Künstlerin Dvora Barzilai, und den ersten drei seiner insgesamt vier Kinder von Israel nach Wien übersiedelt. Durch seine Auftritte in den bedeutendsten Konzertsälen der Welt ist er ebenso bekannt wie durch zahlreiche CD-Aufnahmen.

Lebenskunst
Sonntag, 4.12.2022, 7.05 Uhr, Ö1

2017 wurde ihm das „Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich“, 2018 das „Goldene Verdienstzeichen des Landes Wien“ verliehen. Irene Klissenbauer hat Shmuel Barzilai in seinem Büro beim sogenannten Stadttempel, der Synagoge in der Wiener Seitenstettengasse, besucht und mit ihm über seine Zeit als Oberkantor gesprochen, sowie darüber, was ihm im Leben wichtig ist.

Redaktion & Moderation: Doris Appel