Zwischenruf 12.2.2023, Maria Katharina Moser

Majed ist drangeblieben

„Wenn man sieht, dass die Menschen lachen, und dass man sie zum Lachen bringt, das ist wirklich was Wertvolles. Und deswegen habe ich die Ausbildung gemacht“, erzählt Majed Kabbani.

Es war eine Ausbildung zum Pflegeassistenten, die er begonnen hat. Gleich nach der Ausbildung hat er in einer Pflegeeinrichtung der Diakonie im Burgenland begonnen. Fünf Jahre arbeitet er jetzt hier.

Maria Katharina Moser
ist Direktorin der Diakonie Österreich

Bedrohung des Wohlstandes

Majed Kabbani ist Syrer. 2015 ist er auf der Flucht vor dem Krieg nach Österreich gekommen. Er wusste nicht so recht, was er beruflich machen könnte. Eigentlich wollte er Clown werden. Die Pfarrerin hat ihm Schnuppertage im Altenheim vorgeschlagen. Da hat ihn die Leidenschaft für den Pflegeberuf gepackt.

Die Bewohner:innen im Pflegeheim sind froh, dass sie Majed haben. Seine Kolleg:innen auch. Ja, Österreich darf sich freuen über jeden Menschen wie Majed Kabbani. Wir brauchen Pflegekräfte wie einen Bissen Brot. Schon jetzt. Und 2030 werden uns 100.000 Pflegekräfte fehlen.

Nicht nur in der Pflege herrscht Personalmangel. In allen Berufen. In den nächsten 12 Jahren wird sich eine Lücke von über einer halben Million Beschäftigen aufbauen, prognostiziert der Thinktank Economica. Die Folgen werden schwerwiegend sein. Ohne Menschen, die Lebensmittel produzieren, Kinder unterrichten oder Elektrochips herstellen, schrumpft unsere Wirtschaft. Der Arbeitskräftemangel wird zu einer Bedrohung unseres Wohlstands.

Zwischenruf
Sonntag, 12.2.2023, 6.55 Uhr, Ö1

Worüber man in Österreich redet, ist allerdings die Bedrohung des Wohlstandes durch Flüchtlinge und Migrant:innen. Hartnäckig hält sich dieses Vorurteil. Neulich habe ich das persönlich erfahren. Ich hatte im Radio gesagt, dass die Menschen, die jetzt im Asylverfahren sind und Schutz bekommen, später einmal unsere Pensionen zahlen. Ich erhielt empört Emails: So etwas zu sagen, sei „absolut lächerlich“, „strohdumm“ und „eine Frechheit und Verhöhnung der österreichischen Bevölkerung“.

Das Lernen und das Helfen

Mich befremdet das Bild, dass Flüchtlinge und Migrant:innen unseren Sozialstaat ausnutzen und uns etwas wegnehmen aus zwei Gründen. Es widerspricht erstens meinem christlichen Menschenbild. Ich glaube, dass Gott eine schöpferische Kraft in jeden Menschen gelegt hat, die ihn dazu antreibt, etwas Positives beitragen zu wollen. Zweitens ist es schlicht falsch. Verschiedene Studien – etwa eine große Querschnittstudie der Paris School of Economics – zeigen: Zuwanderung führt zu Wirtschaftswachstum und höheren Staatseinnahmen.

Jetzt, angesichts des Arbeitskräftemangels, wird das falsche Bild von Zuwanderern als Bedrohung des Wohlstands bedrohlich. Es hält uns davon ab, Geflüchteten und Migrant:innen Chancen auf legale Einreise und Arbeitsmarktintegration zu bieten.

Auch für Majed Kabbani war der Weg in den Pflegeberuf nicht einfach. „Bei der Bewerbung für die Ausbildung wurde ich ständig gefragt, warum nicht einfach den Stapler-Führschein machen“, erzählt er. Majed ist drangeblieben. Und das ist gut für alle. „Die Bewohner:innen sind nicht meine Patienten, die sind meine Lehrer:innen“, sagt er, „ich hab so viele Wörter von denen gelernt. Tachinieren, z.B. Oder hinter mir die Sintflut. Schaß mit Quasteln. Es ist gegenseitig, das Lernen und das Helfen. Sie haben mir mit der Sprache geholfen, und ich helfe ihnen im Alltag mit der Pflege.“