Montag, 20.3.2023, Aida Loos

Nouruz – das persische Neujahrsfest

Am 20. März um Punkt 22.24 Uhr beginnt unser neues Jahr. Es ist für uns wie Weihnachten, Ostern und Fasching gemeinsam. Wir kochen groß auf, schmücken unser „Haft-sin" mit bemalten Eiern und verkleiden uns als die beste Version unserer selbst.

Wir haben uns wochenlang darauf vorbereitet, denn wenn es so weit ist, dann wollen wir, wie aus dem Ei gepellt, vergnügt in den Frühling tanzen. Wir stellen dafür die Möbel um, putzen alles picobello. Und wenn es im alten Jahr Streitereien gab, dann versöhnen wir uns einfach wieder. Und ich denke, ich spreche für alle, wenn ich sage, dass unser größter Wunsch für das kommende Jahr 1402 der Sturz des iranischen Regimes ist.

Aida Loos
ist Kabarettistin und Schauspielerin

Die Hyazinthe der Freundschaft

Der wichtigste Brauch ist das „Haft-sin". „Haft“ heißt sieben auf Farsi und „sin“ ist der Buchstabe „S“. Wir dekorieren also unseren Tisch mit sieben Sachen, die auf Farsi mit einem S beginnen. Diese sind: erstens „Sir“, das ist der Knoblauch und steht für Schutz. Zweitens „Sib“, das ist der Apfel und symbolisiert die Schönheit. Drittens „Serkeh“, der Essig. Es steht für die Geduld. Viertens „Sekeh“, das ist die Münze und symbolisiert den Wohlstand. Fünftens „Sonbol“, das ist die Hyazinthe und steht für Freundschaft. Sechstens „Somagh“, das ist das Gewürzsumach und symbolisiert den Geschmack des Lebens. Und schließlich siebtens „Sabzeh“, das sind Linsensprossen und stehen für die Munterkeit.

Ich möchte mich in dieser Reihe an Ereignisse meines Lebens erinnern, die etwas mit diesen sieben Tugenden zu tun haben. Ich beginne mit der Hyazinthe, also der Freundschaft. Die besten Freunde, die mir je begegnet sind, waren meine Großeltern. Weil sie sich selbst im Streit einig waren. Mein Opa hat zum Beispiel immer auf Wassermelonen geklopft, um herauszufinden, ob sie gut sind oder nicht. Er hat sich oft minutenlang zur perfekten Wassermelone vorgeklopft. Einmal hat er so lange geklopft, dass meine arme Oma, die in der prallen Mittagssonne Teherans im Auto auf uns wartete, ungeduldig wurde und mit ihm schimpfen musste: „Naser“, raunzte sie, „mein Hintern ist mir davongeschmolzen.“

Mein Opa aber sagte nur: „Klopf mal!“ Dann klopfte meine Oma an der Wassermelone, hielt sie an ihr Ohr, klopfte wieder und machte schließlich eine Dankesgeste gen Himmel. Bis heute weiß ich nicht, was es mit dem Klopfen auf sich hatte. Und bis heute klopfe ich auf jede Wassermelone, bevor ich sie kaufe.