Als Kind war es die größte Freude für mich, mit meiner Mutter zum Billig-Supermarkt zu gehen. Es war für uns wie ein Kurzurlaub in die Heimat. Und am meisten Spaß hatten wir in der Obst- und Gemüseabteilung. Weil die Salathäupel unterschiedlich groß waren und ich – ich! – sollte immer den Allergrößten finden. Ich mache also regelmäßig Köpfler in die Salathäupelkiste dafür. Und als ich ihn ausgegraben hatte, füllten sich die Augen meiner Mutter jedes Mal mit Tränen des Stolzes.
Aida Loos
ist Kabarettistin und Schauspielerin
„Wir sind Perser“
Ich erinnere mich daran, dass einmal eine alte Frau mit Pelzhut und Schokobananen im Wagerl unser Treiben beobachtete und in einer Mischung aus Verachtung und Entsetzen sagte: „Mah, typisch Tschuschen!“
Meiner Mutter schien es egal zu sein, aber mich kränkte die Aussage, was ihr nicht entging. Und so legte sie ihre rechte glühende Hand beschützerisch auf meine Schultern. Sie pustete sich eine dunkle Locke aus dem Gesicht, stampfte, als hätte sie Hufe an den Füßen, kräftig in den Boden, und insgeheim hoffte ich, sie möge laut wiehern, bevor sie losgeht. Ich spürte ganz genau, dass sie kurz davor war, etwas Großartiges zu tun und fühlte mich unter ihrer glühenden Hand gleichermaßen beschützt wie in Gefahr. Etwa so wie die halbnackte Frau in „King Kong-Händen“.
Meine Mutter ging bestimmten Schrittes auf diese Frau zu, visierte ihre gleichermaßen verbitterten wie verängstigten Augen an, und sagte: „Wir sind keine Tschuschen. Wir sind Perser!“ Vor „Perser“ machte sie eine theatralische Pause und ich war mir sicher, dass sie beim „P“ aufgrund des Gewichts, das sie diesem Wort gab, etwas spuckte. Die Pelzdame machte daraufhin etwas, das ich mir bis heute nicht erklären kann. Sie griff nach ihren Schokobananen und hielt sich die Schachtel ganz fest an ihre Brust.
Von all den Wegen, auf meine gigantische, beschützerische Mutter zu reagieren, hatte sie sich für den lächerlichsten Weg entschieden.