Warnung vor den Folgen ritueller Beschneidung

Mediziner und Psychologen haben am Mittwoch auf „zu kurz gekommene Fakten“ in der aktuellen Beschneidungsdebattee hingewiesen.

Am Freitag letzter Woche hatten sich die Religionsgemeinschaften in der aktuellen Debatte zur rituellen Beschneidung minderjähirger Buben gemeinsam zu Wort gemeldet. Am Mittwoch äußerten nun Beschneidungsgegner aus Medizin und Psychologie ihre Bedenken in einer Pressekonferenz.

Operationswerkzeuge für Beschneidung

EPA/Bea Kallos

Eine Gruppe von Medizinern und Psychologen sieht in der Beschneidung von minderjährigen Buben eine Verletzung der Kinderrechte.

Der Urologe Florian Wimpissinger warnte vor Langzeitfolgen für das männliche Selbstwertgefühl. Auch Traumata und Störungen des sexuellen Empfindens könnten auftreten. Bei der Beschneidung werde „hochsensibles Gewebe“ entfernt und damit auch die Sexualität „beschnitten“, sagte Wimpissinger. Die Vorhaut sei der empfindlichste Teil der männlichen Sexualorgane. Dass an Babys und Kindern heute noch Beschneidung ohne Anästhesie praktiziert wird, sei schlicht „inakzeptabel“. Die Beschneidung sei ein invasiver operativer Eingriff und deshalb „ohne Einwilligung des Patienten als Körperverletzung zu betrachten“.

Langzeitfolgen für Beschnittene

Seine Skepsis brachte auch der Sexualmediziner Georg Pfau zum Ausdruck. „Dieser Eingriff an gesunden jungen Männern im libidinös und narzisstisch hoch besetzten Genitalbereich hat Langzeitfolgen für das männliche Selbstwertgefühl und für das männliche Rollenverhalten“, sagte der Arzt.

Zwar lägen die Störungen eher im psychosozialen als im medizinischen Bereich, doch würden Studien belegen, dass das sexuelle Erleben von Männern nach einer Beschneidung gestört sein kann. Argumente der besseren Hygiene und der Krebsprävention ließ der Mediziner nicht gelten. „Man entfernt ja auch nicht eine Niere, um die Wahrscheinlichkeit für Nierenkrebs zu halbieren“, so Pfau.

Rechtliche Klärung gefordert

Die Psychotherapeutin Christa Pölzlbauer wies wie Pfau auf mögliche traumatisierende Effekte hin. Aus Sicht der Psychoanalyse könne eine Beschneidung in der frühen Kindheit zu Kastrationsangst führen und Männer bis ins Erwachsenenalter psychisch belasten. Langzeitwirkungen wie diese würden jedoch nicht nur aus religiösen, sondern auch aus gesellschaftlichen Gründen selten thematisiert.

Auf der Pressekonferenz forderten die Psychologen und Mediziner die Einführung eines gesetzlichen Schutzalters von 16 Jahren. Der Kinderarzt und Jugendpsychiater Klaus Vavrik berief sich dabei auf die UNO-Kinderrechtskonvention, die er als von der internationalen Gemeinschaft erarbeitete „objektive Richtschnur“ bezeichnete. Diese besage, dass bei allen Maßnahmen das Kindeswohl im Vordergrund stehen müsse. Rechtlich geklärt werden müsse nun für Vavrik, wo die Grenze zur Körperverletzung beginnt.

Justizministerium: Beschneidung straffrei

Eine Feststellung zur rechtlichen Lage kam am Dienstag aus dem Justizministerium. Ministerin Beatrix Karl (ÖVP) hielt in ihrem Schreiben unter Berufung auf mehrere Strafrechtler fest, dass eine Beschneidung durch die vertretungsweise Einwilligung der Eltern straffrei sei. Die religiöse Beschneidung widerspreche nicht den guten Sitten, da sie seit Jahrtausenden praktiziert werde.

Eine Einwilligung durch die Eltern in eine Körperverletzung sei in Österreich auch in strafrechtlicher Hinsicht zulässig, wenn die Maßnahme im Kindeswohl gelegen sei. In den juristisch relevanten Texten fänden sich dabei keine Äußerungen, „die das Kindeswohl durch eine religiös motivierte Einwilligung in eine Beschneidung gefährdet sehen“, so das Justizministerium. Auf Basis des Befunds sei daher die Frage, ob die religiös motivierte Beschneidung von Knaben in Österreich strafbar ist, zu verneinen.

(Red./APA)

Links: