Syrien: Der innerislamische Konflikt

Im Syrien-Konflikt spielen innerislamische Bruchlinien zunehmend eine Rolle.

Am Donnerstag beschlossen die Mitgliedsstaaten der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) mit großer Mehrheit die Aussetzung der Mitgliedschaft Syriens. Als Gründe für diese Entscheidung wurden im Abschlussdokument des Sondergipfels die gescheiterte UNO-Mission und die vom syrischen Regime angewandte militärische Gewalt genannt.

Völlig konfliktfrei dürfte der Beschluss nicht vonstattengegangen sein, seien ihm doch „hitzige Debatten hinter verschlossenen Türen“ vorausgegangen, sagte ein beteiligter Diplomat der dpa. Vor allem der Iran stellte sich einmal mehr hinter das syrische Regime und votierte gegen eine Suspendierung Syriens aus der OIC.

Golfstaaten gegen Assad-Regime

Auf der anderen Seite waren es vor allem die Golfstaaten wie Saudi-Arabien und Katar, die sich im Vorfeld des Gipfels für einen Ausschluss Syriens starkgemacht hatten: Länder, die auch die syrischen Rebellen mit Waffen versorgen dürften. Gleichzeitig forderten die Golfstaaten ihre Bürger zum Verlassen des Libanon auf, da sie befürchten, dass Schiiten als Vergeltung für Geiselnahmen von Libanesen und Iranern durch syrische Rebellen ihre Bürger entführen könnten.

Innerislamische Konflikte

Bei außenstehenden Beobachtern hinterlässt das Kräftemessen, in dessen Zentrum die Syrien-Frage steht, mehr und mehr den Eindruck eines Konfliktes zwischen den beiden großen Strömungen des Islam. Auf der einen Seite stehen die Schiiten in Form der Revolutionsregierung im Iran und der Hisbollah im Libanon, auf der anderen Seite die Sunniten, repräsentiert durch die Königshäuser der Golfstaaten.

Auch Cengiz Günay, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Österreichischen Institut für Internationale Politik, meint, dass der aktuelle Diskurs in der islamischen Welt immer stärker eine religiöse Färbung annehme. wenngleich Günay im Gespräch mit religion.ORF.at betont, dass hinter den vorgeschobenen religiösen Aspekten handfeste regionalpolitische Interessen stünden. Allerdings falle auf, dass immer öfter eine religiöse Untermauerung der eigenen Anliegen gesucht werde.

König von Saudi Arabien, Abdullah bin Abdul Aziz

EPA/Stringer

Konservativer Sunnit: König Abdullah bin Abdel Asis von Saudi-Arabien

Religion und politische Interessen

Diese religiöse Aufladung bietet sich ob der geschichtlichen politischen Situation im Nahen Osten und auf der Arabischen Halbinsel an. Für die sunnitischen Königshäuser der Golfstaaten barg der schiitische Iran seit der Revolution von 1979 ein instabiles Moment für die Region. Das liegt laut Günay aber nicht nur an der unterschiedlichen religiösen Tradition, sondern vor allem auch an den unterschiedlichen politischen Ausrichtungen der Führungen.

So hatten und haben die konservativ geprägten sunnitischen Monarchien Angst vor einer Mobilisierung ihrer unterdrückten schiitischen Minderheiten durch das Revolutionsregime im Iran. Der Iran wiederum unterhält enge Kontakte zur libanesischen Hisbollah, die eine wichtige Rolle im Konflikt mit Israel spielt und dadurch die regionalpolitische Rolle Teherans aufwertet.

Syrischer Konflikt äußerst komplex

Auch für den syrischen Konflikt selbst greift es zu kurz, diesen auf einen religiös-ethnischen Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten zu reduzieren. Günay meint, dass es sich beim syrischen Regime um kein alawitisches Regime handle, vielmehr betrachte sich das Regime als säkular. Zudem gehörten auch Sunniten und Christen dem Regime an.

Der Konflikt bekommt jedoch eine immer stärkere konfessionelle Färbung, weil sich auch salafistische und dschihadistische Gruppen am Kampf beteiligen. Diese betrachten den Konflikt als einen Krieg gegen ein ungläubiges Regime und stehen bei weitem nicht für die gesamte Opposition. Mit ihrer sunnitisch-radikalislamischen Programmatik, die Alawiten, Schiiten und andere Gruppen als Häretiker betrachtet, spielen sie jedoch der Propaganda des Regimes in die Hände, das die Aufständischen als islamistische Terroristen darzustellen versucht.

Martin Steinmüller, religion.ORF.at

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