Forderung nach kombiniertem Ethik- und Religionsunterricht

Ein eigenes Konzept bringt der Salzburger Religionspädagoge Anton Bucher in die Debatte zum Ethikunterricht ein. Seine Idee eines Faches „Ethik- und Religionskunde“ für alle Schüler bleibt nicht ohne Widerspruch.

Anton Bucher, Salzburger Universitätsprofessor für praktische Theologie, belebt die neuerlich aufgeflammte Debatte um den Ethik- und Religionsunterricht in Österreich. Er ist für eine Zusammenlegung der beiden Fächer. Sein Vorschlag: Einführung des neuen Faches „Ethik und Religionskunde“. Es sollte vom Staat in ökumenischer Kooperation mit den Religionsgemeinschaften konzipiert werden. Diese Lösung sei „redlich, weil faktischer Religionsunterricht in der Oberstufe von Ethikunterricht, wie empirisch untersucht, kaum mehr zu unterscheiden ist“, so Bucher.

Religionspädagoge Anton Bucher

Galila Verlag / Erika Mayer

Professor für Religionspädagogik

Der gebürtige Schweizer Anton Bucher hat seit 1993 den Lehrstuhl für Religionspädagogik an der Uni Salzburg inne.

Kostengünstig

Außerdem sei es eine kostengünstige Variante, weil nur noch eine Lehrkraft zu bezahlen wäre. Bisherige Überlegungen den Ethikunterricht in Österreich einzuführen sind vor allem am Geld gescheitert.

Für Bucher ist das neue Modell eines gemeinsamen Ethik- und Religionsunterrichts auch deshalb wünschenswert, „weil in einem gemeinsamen Unterricht über Ethik und Religionen eher gewährleistet ist, dass Schülerinnen gemeinsame ethische Maximen erarbeiten und zugleich ihre eigene religiöse Identität konturieren können.“

Religiöse Identität geht verloren

Dass die religiöse Identität in einem gemeinsamen Unterricht gefördert werden könne, bezweifelt der evangelische Vizerektor der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH) Wien/Krems, Thomas Krobath im Interview mit religion.ORF.at. An der Hochschule werden Religionslehrer in fünf christlichen Konfessionen ausgebildet. Identität könne nur aus der religiösen Tradition heraus entstehen, nicht aus einem Unterricht über Religion. Wie die katholische Kirche, vertritt auch die evangelische Kirche die Position: Ethikunterricht ja, aber nicht als Ersatz zum konfessionellen Religionsunterricht.

Keine Konkurrenz, sondern Zusammenlegung

Bucher lässt sich in seiner Stellungnahme nicht auf eine Konkurrenzierung der beiden Gegenstände ein. Sein Vorschlag sieht diese Form des Unterrichts zumindest für die Oberstufe vor. Wünschenswert wäre sie allerdings ab dem Eintritt ins Gymnasium, sagt Bucher im Gespräch mit religion.ORF.at. Denn aus moralpsychologischer Sicht sei im Alter von etwa zehn Jahren die Prägung von soziomoralischen Einstellungen besonders stark, so Bucher.

Lehrerin hält islamischen Religionsunterricht

dpa / Rolf Haid

Im Fach Ethik- und Religionskunde sollen den Schülern auch die Überzeugungen anderer Religionen näher gebracht werden.

„Unsere Befragungen von Religionslehrern zeigten, dass diese primär die Mündigkeit ihrer Schülern anzielen, ethische Kompetenz, religionskundliches Wissen – und nur noch zu 29 Prozent, dass sie die Glaubenslehre der katholischen Kirche kennenlernen, unter deren Image viele leiden. Dass sie Andersgläubige tolerieren lernen, unterstützen 91 Prozent stark“, so Bucher. Zur Frage, wer den Ethikunterricht erteilen sollte, meint Bucher er sehe grundsätzlich kein Problem darin, wenn universitär ausgebildete Ethiklehrer auch Religion unterrichten.

Ethik wichtig für alle

Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) hält Ethikunterricht für alle ebenfalls für wichtig, nicht nur für diejenigen, die sich vom Religionsunterricht abmelden. „Was ich nicht möchte, ist ein Entweder-oder - wer sich vom Religionsunterricht abmeldet, geht dann in den Ethikunterricht“, sagte die Ministerin vergangene Woche im Rahmen einer Diskussion bei den Alpbacher Technologiegesprächen. Sie will bis Jahresende ein Konzept für die Bundesweite Regelung des Ethikunterrichts vorlegen, das Ethikunterricht für alle vorsieht - auch für diejenigen, die bereits konfessionellen Unterricht besuchen.

Wenig Gegenliebe für Schmieds Vorschlag

Die ÖVP-nahe Schülerunion - nach eigenen Angaben die größte Schülerorganisation Österreichs - und der Katholische Familienverband wiesen am Montag auf die steigenden Kosten und die Mehrbelastung der Schülerinnen und Schüle hin. Ethikunterricht ja, aber nur als Alternative zum konfessionellen Religionsunterricht lautet der Tenor - mehr dazu in: Skepsis gegenüber verpflichtendem Ethikunterricht in Österreich.

Christine Mann vom erzbischöflichen Amt für Unterricht und Erziehung möchte das bisher im Schulversuch getestete Modell weiterführen. Religionsunterricht für konfessionelle Schüler, Ethikunterricht für bekenntnislose oder abgemeldete Schüler plus die Möglichkeit, Ethik als Wahlfach zu belegen. Das sei ein kostengünstiges, mit Experten entwickeltes Modell, das realisierbar sei, so Mann. Die ÖVP-Landesschulratspräsidenten sprachen gar von einem „Anschlag auf den Religionsunterricht aller Konfessionen“. Die Schüler würden förmlich verlockt, sich vom konfessionellen Religionsunterricht abzumelden.

Diskussion notwendig

In einem Punkt sind sich alle einig: Über den Ethikunterricht muss gesprochen werden. So begrüßt neben allen Religionsgemeinschaften auch Religionspädagoge Bucher die neu aufgegriffene Diskussion um den Ethikunterricht. Denn das Thema ist nicht neu. Bereits 1999 war er unter der damaligen Bundesministerin Elisabeth Gehrer beauftragt worden, eine Evaluation des damals als Schulversuch laufenden Ethikunterrichts zu erstellen. Was damals in der Schublade landete, erhält erneut die Chance auf eine bundesweite Regelung.

Nina Goldmann; religion.ORF.at

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