„Vatileaks“: Ex-Kammerdiener Gabriele im Interview

In einem Interview legte der ehemalige Kammerdiener des Papstes Paolo Gabriele seine Beweggründe dar.

Ein italienischer Privatsender hat den früheren päpstlichen Kammerdiener Paolo Gabriele als Informanten für eine Enthüllungssendung über den Vatikan geoutet. Am Montagabend brachte der Sender „La7“ im Programm „Gli Intoccabili“ (Die Unberührbaren) das volle Interview mit Gabriele vom 22. Februar im Originalton. Damals war die Stimme des Informanten verzerrt und das Gesicht durch „Pixelung“ unkenntlich gemacht worden. Gabriele sagte in dem Interview, dass es ihm hauptsächlich um Transparenz im Vatikan gegangen sei. Es gebe etwa 20 Personen im Vatikan, die wie er zu Enthüllungen bereit seien, um Transparenz zu sichern, sagte er.

Unklarheiten

Als Motivation für sein Handeln nannte Gabriele Wut und Angst; es gebe im Vatikan eine Mauer des Schweigens. „Der Papst will für Sauberkeit sorgen, doch er stößt auf Schwierigkeiten“, sagte Gabriele, der am 23. Mai verhaftet wurde. Diese Mauer des Schweigen lasse „die Wahrheit der Dinge nicht nach außen“ dringen, so Gabriele, der nach eigenen Angaben seit 20 Jahren im Staatssekretariat arbeitet und praktizierender Katholik ist.

So habe der Vatikan den Mord an dem Schweizergarde-Kommandanten Alois Estermann und seiner Frau 1998 nicht aufgeklärt. „Wir sind in einem Land, wo man hineingehen, ein Blutbad veranstalten und ungestört wieder weggehen kann“, sagte der Zeuge. Ebenso habe man sich nicht genügend um Ermittlungen im Entführungsfall der damals 15-jährigen Vatikan-Bürgerin Emanuela Orlandi im Sommer 1983 bemüht.

Spekulationen

Gianluigi Nuzzi veröffentlichte in seinem Buch „Sua Santita“, die Briefe und Akten aus der unmittelbaren Umgebung des Papstes und sorgte damit in den vergangenen Monaten weltweit für Schlagzeilen. Laut Ermittlungen der vatikanischen Staatsanwaltschaft hatte der frühere päpstliche Kammerdiener dem Autor Nuzzi zahlreiche kopierte Briefe und Geheimdokumente aus der Wohnung des Papstes weitergegeben.

Als die Dokumente veröffentlicht wurden, spekulierten italienische Medien, innervatikanische Flügelkämpfe seien die wahre Ursache für den Vertrauensbruch gewesen, eines der Angriffsziele sei Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone. Gabriele saß zunächst 53 Tage lang in Haft, bevor er im Juli unter Hausarrest gestellt wurde. Gabriele hatte seit 2006 für den Papst gearbeitet. Er war einer der wenigen Vertrauten des Oberhaupts der katholischen Kirche, die Zugang zu dessen Privaträumen hatten. Im Fall einer Verurteilung drohen Gabriele bis zu sechs Jahre Haft.

APA/KAP

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