Gegen das „gegenseitige Unverständnis“

Martin Kolosz lässt in seinem neuen Buch die katholischen Theologen Petra Steinmair-Pösel und Paul Zulehner zu “den Fragen der Kirchengegner und den Antworten der Kirchenvertreter” zu Wort kommen.

In “Eine Antwort des Glaubens” editiert der österreichische Schriftsteller Kolosz Gespräche mit einem der bekanntesten Theologen des Landes, Paul Zulehner, und einer Theologin mit Schwerpunkt auf Frauenforschung, Petra Steinmair-Pösel.

Dabei stellt Kolosz jene Fragen, die auch im Alltag vieler Katholiken präsent sind, und hakt dort ein, wo von der Kirche seit Jahren immer wieder Veränderung gefordert wird. „Ich wollte beide Seiten zu Wort kommen lassen“, erklärte Kolosz im Gespräch mit religion.ORF.at, und zwar in jenen Fragen, die in der aktuellen Kirchenkritik zentral seien.

Buchcover "Eine Antwort des Glaubens"

Studienverlag

„Eine Antwort des Glaubens - Im Gespräch mit Paul M. Zulehner und Petra Steinmair-Pösel“

Martin Kolosz, Studienverlag, 2012

Wie sieht die Rolle eines Geistlichen in der heutigen Zeit aus und was macht den Priesterberuf unattraktiv? Wieso fühlt sich die Jugend von kirchlichen Angeboten nicht angesprochen? Was darf man von Papst Bendikt XVI. erwarten? Und wie soll mit dem „Ungehorsam“ der Pfarrer-Initiative umgegangen werden? Entlang bekannter Konfliktlinien analysieren Steinmair-Pösel und Zulehner Probleme und Zukunftsperspektiven der katholischen Kirche.

Weder ganz noch gar nicht

Die beiden Theologen erörtern diese Fragen ausführlich und eröffnen dem Leser mit vielen Literaturhinweisen auch weitere Perspektiven. Ohne eine Position zu übernehmen, wird versucht, Verständnis für alle Meinungen innerhalb der krisengebeutelten Kirche aufzubringen.

Weder dem Relationismus noch dem Fundamentalismus spricht etwa Paul Zulehner Sympathien aus, wenn er sagt: „Der Satz ‚Nix ist fix‘ ist genauso dogmatisch wie der andere, dass eben ‚alles fix‘ sei.“ Ganz im Sinne des Autors, der im Gespräch mit religion.ORF.at sagte, er wolle Konflikte archivieren und kommentieren, sich jedoch nicht anmaßen, Antworten vorzugeben, wird nach den Ursprüngen heutiger Probleme gesucht.

Komplexe Antworten auf komplexe Fragen

„Eine Antwort des Glaubens“ ist ein Buch für theologisch interessierte Leserinnen und Leser. Die Ausführungen der Experten entsprechen der Komplexität der Fragen, wenn es um das Aufzeigen verschiedener Aspekte geht. Die beiden Wissenschafter philosophieren zur Zukunft der Kirche auf hohem Niveau und sind sich über den dringenden Handlungsbedarf einig.

So fragt etwa Steinmair-Pösel: „Wenn es wirklich Gottes Geist ist, der die Kirche in Zeiten der vertiefenden Veränderung begleitet und herausfordert, könnte es dann nicht sein, dass sie, wenn sie sich gegen die zugemuteten Entwicklungen wehrt und die Konflikte nicht bearbeitet, Gottes Geist auslöscht?“

Das „neue Selbstbewusstsein der Frauen“

In der Diskussion um Frauenordination führt Petra Steinmair-Pösel historische wie theologische Argumente an. Sie beschreibt die Gleichstellung von Mann und Frau anhand der Vision des Apostels Paulus als verbliebenen Punkt auf der „Tagesordnung“ der Kirche, nachdem sich das Christentum an alle Menschen wandte und Sklaverei verboten wurde.

Zulehner sieht die Schwierigkeit der katholischen Kirche mit diesem Thema weder in theologischen Ansichten noch in biblischen Perspektiven begründet. „Mir scheint wahrscheinlich zu sein, dass die vielen guten theologischen Überlegungen zur Ordination von Frauen die Kirche deshalb nicht voranbringen, weil es diese archetypischen Hürden gibt, die weit schwerer zu überwinden sind, als gute theologische Argumente zu schmieden.“ Und Zulehner ergänzt: „52 Prozent der 2011 in Österreich befragten Pfarrer können sich Amtskolleginnen gut vorstellen.“

Perspektivenwechsel und Risikofreude

Abschließend fassen Zulehner und Steinmair-Pösel insgesamt 14 Vorschläge unter dem Stichwort „Perspektivenwechsel“ zusammen. Der Tenor dieser Denkanstöße: Toleranz, Demut, Bereitschaft zu neuer Gemeinschaftlichkeit anstatt Ausgrenzung, Autorität und Dienstleistung.

Man wolle weder anklagen noch verteidigen, erklärt der Autor. In seinem Interesse sei es, Konflikte aufgrund ihrer Geschichte verständlich zu machen und schließlich auch Perspektiven aufzuzeigen, so Kolozs. Die vielschichtige Betrachtung der Herausforderungen für die katholische Kirche schließt mit der Feststellung, dass Eucharistie und Evangelium der Mittelpunkt aller Erneuerung sein müssten, hält aber gleichzeitig fest: „Ohne Risikofreudigkeit kann die Zukunft nicht gewonnen werden.“

Astrid Mattes, religion.ORF.at