Konzilsjubiläum: Stimmen der Religionen

Der lutherische Bischof Michael Bünker, der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Fuat Sanac, Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg und Gerhard Weissgrab, Präsident der Österreichischen Buddhistischen Glaubensgemeinschaft zum Vaticanum II.

Das Zweite Vatikanische Konzil hat nicht nur für Katholiken eine zentrale Bedeutung, sondern auch für Vertreter anderer Religionen. Im Konzilsdokument „Nostra Aetate" wird das Verhältnis der römisch-katholischen Kirche zu anderen Religionen festgehalten und ihnen ein Wahrheitsgehalt zugesprochen. „Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist“, heißt es in dem Dokument.

Die katholische Kirche gibt ihren eigenen Wahrheitsanspruch zwar nicht auf, fordert die Gläubigen aber dazu auf, die Werte anderer Religionen zu achten und sogar zu fördern. Es gehe darum, Gemeinsamkeiten zu entdecken, die „einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet", heißt es im Dokument „Nostra Aetate“. Das zweite wichtige Dokument in Bezug auf andere Glaubensinhalte ist „Dignitatis Humanae“. Darin wird festgehalten, dass es keinen Zwang in Glaubensfragen geben könne.

„Ältere Brüder“

Für Paul Chaim Eisenberg, Oberrabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, hat das Zweite Vatikanische Konzil „ganz Entscheidendes“ für die christlich-jüdischen Beziehungen gebracht - gerade nach der Ermordung von Millionen Juden im Nationalsozialismus. Die Kirche habe erkannt, dass sie etwas tun müsse, so der Oberrabbiner im Gespräch mit religion.ORF.at. „Wir beschuldigen nicht die Kirche wegen der Schoa“, aber es habe doch einen jahrhundertealten christlichen Antijudaismus gegeben.

Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg

APA/Herbert Pfarrhofer

Oberrabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, Paul Chaim Eisenberg

Daher hebt Eisenberg besonders Papst Johannes XXIII., den Initiator des Zweiten Vatikanischen Konzils, hervor. Dieser habe zum einen die Juden als „ältere Brüder“ anerkannt, zum anderen habe er erkannt, dass die heutigen Juden nicht für den Tod Jesu’ verantwortlich gemacht werden können. „Nostra Aetate“ hält dazu fest: „Obgleich die jüdischen Obrigkeiten mit ihren Anhängern auf den Tod Christi gedrungen haben, kann man dennoch die Ereignisse seines Leidens weder allen damals lebenden Juden ohne Unterschied noch den heutigen Juden zur Last legen.“

Gerhard Weißgrab, Präsident der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft und Fuat Sanac, IGGiÖ

ÖBR

Der Präsident der Österreichischen Buddhistischen Religionsgemeinschaft, Gerhard Weissgrab und der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Fuat Sanac.

„Wichtigstes kirchliches Ereignis des 20. Jahrhunderts“

Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Fuat Sanac, sieht im Zweiten Vatikanischen Konzil „das wichtigste kirchliche Ereignis des 20. Jahrhunderts“. Auch für die Muslime habe es im letzten Jahrzehnt zunehmend an Bedeutung gewonnen, sagte er im Interview mit der APA. „Das generelle Bekenntnis zur Religionsfreiheit und der Integration von Minderheiten, nämlich nichtchristlichen Religionen, ist für uns sehr wichtig.“

Das Konzil und dessen beiden Schriften „Nostra Aetate“ sowie „Dignitatis Humanae“ stellen laut Sanac die eigentliche Grundvoraussetzung für das Konzept interreligiösen Dialogs dar. Das Konzil sei ein „Meilenstein in der Begegnung der verschiedenen Weltreligionen", bekräftige die allgemeine Menschenwürde und verwerfe alle Arten von Diskriminierung und Rassismus“, so Sanac. „Außerordentlich bedeutsam“ sei auch, dass Katholiken und Muslime - trotz jeweiliger Wahrheitsansprüche in der Glaubenslehre - zu gezielter Vergangenheitsbewältigung und zur Zusammenarbeit aufgefordert werden.

Zentral sei nicht die Betonung ihrer Unterschiede zum Christentum, sondern die Suche nach Gemeinsamkeiten: „Die Anerkennung ethischer und religiöser Werte außerhalb der Kirche und ein neuer Stil der positiven Formulierungen und Kommunikation.“ In der Praxis würden sich auch in Österreich wichtige Initiativen, die auf das Konzil zurückgeführt werden können, finden. Etwa das von Kardinal Franz König gegründete Afro-Asiatische Institut sowie die Kontaktstelle für christlich-islamische Begegnung der Erzdiözese Wien.

„Schritt in die richtige Richtung“

„Sich im Dialog gegenüber anderen Religionen zu öffnen, ist die einzige Möglichkeit, eine gemeinsame und friedvolle Zukunft zu gestalten“, sagt Gerhard Weissgrab, Präsident der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft. Ein konstruktiver Ausstausch sei allerdings nicht möglich, wenn von zwei Partnern einer behauptete, sein Weg sei der einzig richtige und der Weg des anderen falsch.

„In diesem Sinne ist das Konzil der richtige Schritt in die richtige Richtung“, so der Buddhist. Ob der „Geist des Konzils“ wirke, sei von der jeweiligen Person abhängig. „Entweder der Geist ist voll wahrzunehmen, oder er hat bei manchen rein gar nichts bewirkt. In meiner persönlichen Wahrnehmung überwiegt jedoch der erstere Personenkreis“, so Weissgrab.

Auch für die Ökumene große Bedeutung

Für den evangelisch-lutherischen Bischof in Österreich, Michael Bünker, hat das Konzil eine „große Bedeutung“ auch für seine Glaubensgemeinschaft. In Blick auf die Ökumene sei dies ein „riesiger Schritt vorwärts“ gewesen, sagte er im Interview mit der APA. Für die evangelische Kirche geht es in erster Linie um die Ökumene. Das Ökumenismusdekret „Unitatis Redintegratio“ bringt einen grundlegenden Wandel im Verhältnis der Kirchen zueinander zum Ausdruck.

Mit dem Konzil habe sich die römisch-katholische Kirche auch der ökumenischen Bewegung geöffnet, resümiert Bünker. „Insgesamt war es ein riesiger Schritt vorwärts auf das Miteinander der Kirchen zu“, sagt der Bischof. Leider seien weitere Schritte in diese Richtung wie die Öffnung der Eucharistie für Nichtkatholiken oder die Anerkennung der evangelischen Kirchen als Kirchen weitgehend ausgeblieben. „Wir sind miteinander verbunden, vor allem durch das Sakrament der Taufe, und stehen daher in Einheit miteinander, diese Einheit ist aber noch nicht voll sichtbar“, so Bünker.

APA/religion.ORF.at

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