Forschungsprojekt: Rolle der Kirche in NS-Zeit

Für eine realistische Einschätzung der Rolle der katholischen Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus hat der Vorsitzende des Zukunftsfonds der Republik Österreich, Kurt Scholz, plädiert.

Im Rahmen der Präsentation von Projekten, die vom Fonds unterstützt werden, wies Scholz am Mittwochabend in der Diplomatischen Akademie in Wien auf Kardinal Theodor Innitzer hin, von dem im öffentlichen Bewusstsein meist nur seine zuerst zustimmende Position zur Machtübernahme durch die Nazis im März 1938 vorhanden sei. Dass er aber spätestens seit Oktober 1938 eine andere Position vertrat, werde meist nicht beachtet.

Kardinal Theodor Innitzer

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Kardinal Theodor Innitzer

Kardinal Innitzer habe unter großem persönlichen und finanziellen Einsatz versucht, Juden und anderen Verfolgten zu helfen, bestätigte die Judaistin Traude Litzka. Auch gegenüber den nationalsozialistischen Behörden habe sich Innitzer immer wieder für Inhaftierte eingesetzt. Litzka präsentierte ihr Buch „Kirchliche Hilfe für verfolgte Jüdinnen und Juden im nationalsozialistischen Wien“ und verwies vor allem auf die von Innitzer eingerichtete „Erzbischöfliche Hilfsstelle für nichtarische Katholiken“.

Hilfe oft im Verborgenen

Pater Ludger Born, dem Leiter der Hilfsstelle, und seinen Mitarbeiterinnen war es gelungen, von 1941 bis 1945 Verfolgten anfangs zur Flucht zu verhelfen, und später, als dies nicht mehr möglich war, die Menschen wenigstens mit Nahrungsmitteln, Medikamenten, Kleidung und Geld zu versorgen. Auch wenn die Hilfsstelle offiziell nur für getaufte „Nichtarier“ zuständig war, „machten die Helfer wenig Unterschiede zwischen Getauften und Nichtgetauften“, so Litzka. Ihr Buch basiert auf einer von ihr 2010 verfassten Dissertation zum Thema.

Während es zur Arbeit der Hilfsstelle im Archiv der Erzdiözese Wien zahlreiche Unterlagen gibt, sei es sehr schwer gewesen, Unterlagen über Rettungsversuche und Hilfeleistungen in Klöstern und Pfarren zu finden. Selbst für kleine Hilfen bedurfte es großen Mutes, da man sein Leben riskierte, so Litzka: „Es ist daher nicht verwunderlich, dass man versuchte, Hilfeleistungen keinesfalls nach außen dringen zu lassen und, wenn überhaupt, Schriftliches verschleiert auszudrücken.“

Mitunter sei sie aber doch fündig geworden, berichtete die Autorin. Sie verwies auf den Klosterneuburger Chorherren Vinzenz Oskar Ludwig, der 1938 als Pfarrer von Korneuburg mehr als 400 Juden taufte und vielen damit die Flucht aus Österreich ermöglichte. Litzkas Resümee: „Es muss nicht geringe Teile des Kirchenvolkes gegeben haben, die zumindest versuchten zu helfen.“ Man könne davon ausgehen, „dass es in dieser Zeit zweifellos mehr Menschen gegeben hat, die im Verborgenen geholfen haben, dies aber auch nicht nachträglich an die große Glocke hängten“.

Ausstellung über „Gerechte unter den Völkern“

Der Journalist Josef Neumayr berichtete über das im Rahmen der Initiative „A Letter To the Stars“ durchgeführte Projekt „Tour für Zivilcourage - Die Gerechten“. 90 Österreichern wurde die höchste Auszeichnung des Staates Israel verliehen: „Gerechte unter den Völkern“. Auf 90 großformatigen Transparenten präsentieren Schüler Leben und rettendes Wirken dieser Persönlichkeiten.

Die Ausstellung wurde bereits in Wien, Graz, Salzburg und Klagenfurt gezeigt und wird nächstes Jahr in Linz, Innsbruck, Eisenstadt und Bregenz zu sehen sein. Damit würden die heimischen „Gerechten unter den Völkern“ endlich jene Aufmerksamkeit erfahren, die sie verdienen, so Neumayr. Abgerundet wird die Tour mit Gesprächsreihen an den Ausstellungsorten.

Datenbank: Frauen im Widerstand

Die Wissenschaftlerinnen Christine Kanzler, Ilse Korotin und Karin Nusko präsentierten schließlich eine biografische Datenbank über österreichische Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Inzwischen umfasst die Datenbank mehr als 3.000 Personen, die meisten davon „Frauen aus der zweiten Reihe“, die noch völlig unbekannt sind. Eine Auswahl der Biografien ist im Internet unter www.biografiA.at abrufbar.

Der Zukunftsfonds der Republik Österreich wurde 2006 gegründet. Er fördert wissenschaftliche und pädagogische Projekte, die dem Gedenken der Opfer des NS-Regimes ebenso verpflichtet sind wie einer zukunftsorientierten Förderung von Toleranz und gegenseitigem Verständnis innerhalb der Gesellschaft. In regelmäßigen Abständen stellt der Fonds in Kooperation mit der Diplomatischen Akademie Wien einige dieser Projekte vor.

KAP

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