Nikolaus: Der Popstar unter den Heiligen

Legendenumwobener Konzilsbischof, streitbarer Wohltäter und Gabenbringer: wie aus dem kleinasiatischen Bischof Nikolaus aus dem 4. Jahrhundert der beliebteste Heilige der katholischen Kirche wurde.

Über die historische Figur des Nikolaus von Myra sind nur wenige belegte Tatsachen bekannt, dafür existieren umso mehr Legenden. Nikolaus war im 4. Jahrhundert Bischof von Myra in der Provinz Lykien in der heutigen Türkei. Doch vermischen sich viele Geschichten um den Bischof von Myra mit der Vita eines im 6. Jahrhundert lebenden Abtes namens Nikolaus von Sion nahe Myra und der des Bischofs Nikolaus aus dem nahen Pinara, dem heutigen Minare bei Fethiye.

Russische Ikone des heiligen Nikolaus aus dem Jahr 1294

Public Domain/Aleksa Petrov

Russische Ikone des heiligen Nikolaus aus dem Jahr 1294

Zum Teil erklärt das die geradezu überbordende Menge an Wundern, die Nikolaus zugeschrieben werden und von denen sich viele um das Schenken drehen. Schon als Säugling soll Nikolaus die Fastentage eingehalten und die mütterliche Brust entsprechend verweigert haben. Als Sohn reicher Eltern verteilte Nikolaus sein ererbtes Vermögen unter den Armen. Berühmt ist die Geschichte, wonach Nikolaus einer armen Familie mit drei unverheirateten Töchtern Gold schenkte, um die Mädchen so vor einem Schicksal als Prostituierte zu bewahren. Nikolaus wird daher oft mit drei goldenen Kugeln oder Äpfeln dargestellt. Geschichten wie diesen verdankt er wohl seinen Ruf als einer, der heimlich Geschenke bringt.

Wunder über Wunder

Auch das Kornwunder fällt in die Kategorie „Leben(smittel) schenken“: Als in seiner Gemeinde eine Hungersnot herrschte, bat Nikolaus den Kaiser, Getreide von einem vor Anker liegenden Schiff abladen und an die Hungernden verteilen zu dürfen. Der Kaiser stimmte zu - und siehe da: Das Korn auf dem Schiff wurde nicht weniger, und das verteilte Getreide reichte zwei Jahre lang.

Seinen zahlreichen Wundern verdankt Nikolaus seine vielen Rollen als Schutzpatron. So wird er als Schutzheiliger der Seeleute verehrt, weil er einem Sturm Einhalt geboten und Matrosen gerettet haben soll. Sehr makaber ist die Legende dreier Knaben, die von Kannibalen bereits getötet und zerstückelt in einem Pökelfass aufbewahrt worden waren und vom Heiligen dennoch wieder zum Leben erweckt werden konnten. Auch diese Wundererzählung brachte Nikolaus vielleicht mit Kindern in Zusammenhang, deren Schutzpatron er ebenfalls ist.

Gemälde aus dem 15. Jahrhundert: Der heilige Nikolaus und die Stratelaten

Friedrichsen unter by-sa

Gemälde aus dem 15. Jahrhundert: Der heilige Nikolaus und die zu Unrecht Gefangenen

Ohrfeige beim Konzil von Nizäa

Zur Zeit der Christenverfolgung unter Kaiser Galerius soll er eine Zeitlang gefangen gehalten und gefoltert worden sein. Überliefert ist die Teilnahme Nikolaus’ am ersten Konzil von Nizäa im Jahr 325, bei dem er vehement gegen die Lehren des Arianismus aufgetreten sein und einen Widersacher sogar geohrfeigt haben soll. Auch zu anderen Gelegenheiten gab sich der historische Nikolaus Legenden zufolge alles andere als sanftmütig: Drei zu Unrecht gefangen gehaltene Feldherren soll er gerettet haben, indem er dem Henker in den Arm fiel. Einer anderen Lesart zufolge erschien der Bischof dem Kaiser im Traum, um ihn zur Freilassung der Männer zu veranlassen (Stratelatenwunder).

In der griechisch-orthodoxen Kirche gilt Nikolaus als „Hyperhagios“, als „Überheiliger“. Der Kult um den Bischof entwickelte sich ab dem 6. Jahrhundert im byzantinischen Reich und fand seinen Weg nach Italien. Hier wurde er vermutlich durch Kaiserin Theophanu verbreitet, die anlässlich ihrer Hochzeit mit Kaiser Otto II. Reliquien aus Byzanz mitbrachte, und erlebte im 10. und 11. Jahrhundert einen großen Aufschwung. Seit damals ist Nikolaus traditionell am 6. Dezember unterwegs, um den Kindern „Apfel, Nuss und Mandelkern“ zu bringen. Der Berliner Anthropologe Christoph Wulf dazu zur deutschen Nachrichtenagentur dpa: „Der Nikolaus ist in der christlichen Kirche neben Christus und Maria mit dem Kind in vielen Gegenden eine der zentralen Heiligenfiguren.“

Heiß begehrte Reliquien

Nikolaus von Myra starb Mitte des 4. Jahrhunderts mit etwa 65 Jahren. Seine Reliquien befinden sich seit dem 11. Jahrhundert im süditalienischen Bari in der eigens erbauten Basilika von San Nicola. Kaufleute brachen seinen Sarkophag in Myra im Jahr 1087 auf und brachten die Gebeine nach Bari. Hier wird jedes Jahr im Mai ein dreitägiges Fest zu Ehren des Heiligen gefeiert. Die türkische Nikolaus-Stiftung fordert bis heute die Gebeine zurück. Der 6. Dezember wird als Sterbetag des historischen Nikolaus angenommen und als sein Namenstag gefeiert.

Der aufgebrochene Sarkophag des Nikolaus von Myra

Sjohest unter by-sa

Der aufgebrochene Sarkophag in der Basilika von Myra, in dem die sterblichen Überreste Nikolaus’ bis 1087 ruhten

Aus Nikolaus wird Santa Claus

In den vergangenen Jahren starteten kirchliche Organisationen Initiativen, um das Andenken des Heiligen zu fördern und ihn vom US-amerikanischen Santa Claus, dem Weihnachtsmann, abzugrenzen. Dabei geht auch Santa Claus auf den Nikolaus zurück.

Niederländische Auswanderer brachten Nikolaus (holländisch: Sinterklaas) im 17. Jahrhundert nach Amerika. Aus dieser Figur entwickelte sich der amerikanische Santa Claus, der in Form des Weihnachtsmanns nach Europa zurückkehrte. Allerdings musste er im reformiert-presbyterianischen Raum wegen der scharfen Ablehnung der Heiligenverehrung aller Attribute entkleidet werden, die dem katholischen Denken entsprechen: Deshalb trägt der Weihnachtsmann statt einer Mitra eine weiche Haube und ihm fehlen Bischofsstab und goldenes Buch.

Nikolaus im Schnee

dpa/APA/Gerhard Schnatmeyer

Was den Nikolaus vom Santa Claus unterscheidet: Bischofsmütze, Stab und Buch

Nikolaus-Brauchtum

Der Brauch, dass der Nikolaus Kindern kleinere Geschenke bringt, entstand im 14. Jahrhundert. In den Klosterschulen wurde das Bischofsspiel gespielt, bei dem ein Schüler für einen Tag Bischof sein durfte, zunächst am „Tag der Unschuldigen Kinder“, später am Nikolaustag. Ab dem 17. Jahrhundert entwickelte sich daraus der Brauch, von Tür zu Tür zu gehen und Kinder zu prüfen und entsprechend zu bestrafen oder mit kleinen Gaben zu belohnen. In der Schule des Klosters Montserrat in Spanien wird dieser Brauch bis heute gepflegt.

Ab dem 17. Jahrhundert wurde in vielen Ländern dem gütigen Nikolaus ein finsterer Geselle in Form des Krampus oder Knecht Rupprecht beigesellt. Diese Gestalt wird heutzutage mehr und mehr aus den Wohnungen verbannt - mehr dazu in Spickzettel für angstfreies Nikolausfest (religion.ORF.at; 4.12.2012).

religion.ORF.at/KAP/dpa