Votivkirche: Echo auf Besetzung

Caritas-Präsident Franz Küberl fordert einheitliche Standards für die Unterbringung von Asylwerbern in Österreich. Die Bundesländer könnten dazu ein Grundsatzpapier unterzeichnen, schlug er vor.

Im Fall der Flüchtlinge, die derzeit die Wiener Votivkirche besetzt haben, lobte Küberl die dort geleistete Arbeit der Hilfsorganisation. „Die Caritas Wien ist ja wie die Jungfrau zum Kind gekommen. Kirchenraum zu besetzen ist sozusagen eine doppelt heikle Situation und ich glaube, sie haben Beruhigung und Struktur hineingebracht.“ Küberl betonte auch, dass auch in absehbarer Zukunft das Engagement weiterbestehen werde.

Hilfe auch nach der Besetzung

Auch der Sprecher der Wiener Caritas Klaus Schwertner sagte in der Sonntagsausgabe des „Kurier“, dass Kirche und Caritas den Schutzsuchenden auch weiter helfen werden, auch wenn diese den Hungerstreik in der Votivkirche beenden und die Kirche verlassen. Die Caritas versuche, die Flüchtlinge in der Votivkirche zu unterstützen, zu vermitteln und zu deeskalieren. „Ich selbst bin immer wieder bis 3 Uhr Früh vor Ort“, so Schwertner.

Die Asylwerber hätten oft dramatische Fluchterfahrungen hinter sich. Sie wollten arbeiten und nicht „jahrelang zum Nichtstun verdammt sein, weil die Asylverfahren zu lange dauern“. Er wäre aber froh - so Schwertner - „wenn sie den Hungerstreik beenden würden“. Weiterhin könnten sie aber danach - „mit Hilfe der Menschen, die sie unterstützen, und Organisationen wie der Caritas“ - für ihre Anliegen eintreten.

Caritaspräsident Franz Küberl im Gespräch

APA/Roland Schlager

Caritas-Präsident Franz Küberl

Gewisse Forderungen der Flüchtlinge könne Küberl nachvollziehen, denn: „Wir sind ja nicht im Himmel, schon gar nicht mit dem Asylgesetz.“ Auch bei den Zuverdienstmöglichkeiten müsse es Verbesserungen geben, so der Caritas-Präsident gegenüber der APA. „Wir sind in Österreich nicht gewohnt, dass Asylwerber sich selbst zu Wort melden“, meint Küberl zur Besetzung. Trotzdem müssten auch die Flüchtlinge akzeptieren, dass man nicht gleich alles erhält, wenn man etwas fordert. „Das sind Lernprozesse, welche die Leute in der Votivkirche zur Kenntnis nehmen müssen.“

Konkrete Vorschläge

Im Asylwesen ortet Küberl Licht- und Schattenseiten. Bei der Gesetzgebung sei man „in einer ganzen Reihe von Punkten durchaus sehr vernünftig unterwegs“, aber „es wäre wichtig, dass sich der Bund und die Länder gemeinsam klar werden, was die Qualitätsstandards in der Unterbringung und der Betreuung sind. Da gibt’s in Wirklichkeit Kraut und Rüben“. Darum müsse man nun sortieren und Klarheit schaffen. „Es ist wichtig, dass Asylwerber in der selben Weise quer durch Österreich betreut werden.“

Auch die Erwerbsmöglichkeiten müssten laut Küberl deutlich verbessert werden. Jene 110 Euro, die sich ein Asylwerber derzeit dazuverdienen darf, seien „zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig“. Küberls Vorschlag: „Alles, was Asylwerber bis zur Höhe der Mindestpension dazuverdienen, sollte geteilt werden: Die Hälfte für den Asylwerber, die andere als Zuzahlung zu den Grundversorgungskosten.“

Menschen, die nach Österreich kommen, würden nach ihrem Asylansuchen sofort spüren: „Bei uns giltst du nur etwas, wenn du arbeitest“. Das strukturell zu verunmöglichen und „in den Wartesaal des Lebens zu geben“, halte er „für das Schlechteste“, so Küberl.

Gemeinsame Verantwortung

Bei den Quoten nahm Küberl die Gemeinden in die Pflicht. „Mir wird aus mehreren Bundesländern gesagt, dass es sehr gute Quartiere gäbe, sich aber sehr viele Bürgermeister querlegten.“ Ein Bürgermeister sei zwar für seine Gemeinde da, er „ist aber auch Teil der Republik Österreich und hat einen Moment an gemeinsamer Verantwortung“. Hier geschehe ein „Hase-und-Igel-Spiel“ zwischen Ländern und Bund. „Auch Politiker sind erwachsene Menschen, und die sollen vernünftig miteinander reden.“

Demonstranten vor der Votivkirche mit einem Plakat mit der Aufschrift "Gesucht: Regierung, die Flüchtlinge ernst nimmt".

APA/Herbert Neubauer

Demonstranten vor der Votivkirche am 2.1.2013

Am Sonntag besuchte der Vizepräsident des europäischen Parlaments, Othmar Karas, die Flüchtlinge in der Wiener Votivkirche. Karas ist seit Tagen mit der Caritas in Kontakt und hat sich laut Caritas-Pressemitarbeiterin Ulrike Fleschhut laufend über die Bemühungen zur Lösung des Problems informiert. Der christdemokratische Europaparlamentarier habe dabei den ausdrücklichen Wunsch gehabt, mit den Flüchtlingen selbst ins Gespräch zu kommen. Er richtete ausdrücklich Dank an Caritas, Johanniter und Pfarrgemeinde für den Einsatz für Menschen in Not.

Europäische Dimension

Karas erinnerte laut Caritas, dass Asylfragen und der Umgang mit Flüchtlingen eine europäische Dimension haben. Asylfragen erforderten europaweit einheitliche Standards - etwa bei Unterbringung und Grundversorgung. „Rasche, faire und qualitätsvolle“ Verfahren seien zentral.

Der EU-Politiker forderte Bereitschaft der einzelnen Mitgliedsstaaten, die Standards rasch umzusetzen. Eine „Saualm 2“ dürfe es europaweit nicht geben. „Nachdem Österreich in diesen Fragen keinen Vergleich zu scheuen braucht, erhoffe ich mir eine österreichische Initiative für europäische Maßnahmen“, betonte Karas laut Caritas. Er appelliere an die Flüchtlinge, „im Wissen um die versprochene Unterstützung durch Innenministerium und Caritas den Hungerstreik zu beenden“. Grundlage für alle Schritte sei das geltende Recht, weshalb die Löschung der Fingerprints in Österreich nicht möglich sei.

Politik kein Errichten von Zäunen, sondern Brückenbau

Im Blick auf ausländerfeindliche Töne in dem Konflikt sagte Karas, Not dürfe nicht gegeneinander ausgespielt werden: „Niemandem geht es besser, wenn es dem Nachbarn schlecht geht. In diesem Sinne ist es wichtig, wenn wir die politische Arbeit nicht als das Errichten von Zäunen, sondern im Bau von Brücken verstehen.“

Während FPÖ-Chef Heinz Christian Strache in einer Aussendung vom Sonntag gefordert hatte, die hungerstreikenden Asylwerber in der Votivkirche umgehend in Schubhaft zu nehmen, „gegebenenfalls mittels Zwangsernährung transportfähig zu machen“ und dann abzuschieben, appellierte die Grünen-Chefin Eva Glawischnig an Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, sich „noch einmal zu bemühen, für jeden der im Hungerstreik Befindlichen eine Türe aufzumachen“.

Man könne „als jemand, dem es immer gut gegangen ist, die persönliche Verzweiflung dieser Menschen, die unermesslich groß sein muss, nicht nachvollziehen“. Sie respektiere deshalb ihre Aktionen und unterstütze einen Großteil der Forderungen, so Glawischnig. Strache drohte einmal mehr mit rechtlichen Konsequenzen für die Innenministerin, sollte sie nicht innerhalb der nächsten Stunden agieren.

religion.ORF.at/KAP/APA

Mehr dazu: