Österreicherin leitet Hilfsprojekt in Mali

Seit zehn Jahren lebt Claudia Wintoch als Missionarin und Leiterin eines Kinderhilfsprojektes in Bamako. Im Interview mit religion.ORF.at erzählt sie von den aktuellen Ereignissen im krisengeschüttelten Land.

Ein Vorstoß von islamistischen Rebellen im Norden von Mali, ein Militärputsch und aktuelle kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und Aufständischen machen die einstige Vorzeigedemokratie in Westafrika zur Krisenregion. Hunderttausende Malier sind auf der Flucht. Und dennoch hat die freikirchliche Pastorin Claudia Wintoch ihr Herz an dieses Land verloren.

Flüchtlinge aus Timbuktu

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Frauen die vor den Islamisten in Timbukto nach Bamako geflohen sind. Insgesamt sind nach Schätzungen der UNO derzeit mehr als 380.000 Menschen in Mali auf der Flucht.

Sehnsucht Mali

Nach Mali zu gehen war immer schon ihre große Sehnsucht. Vor fast zehn Jahren war es dann so weit: Die Wienerin Claudia Wintoch machte sich auf den Weg nach Westafrika. Zuerst arbeitete sie als Lehrerin in der Hauptstadt Bamako.

Kinderhilfswerk von Claudia Wintoch in Mali

H2TNI/Wintoch

Pastor Paul Traore und Pastorin Claudia Wintoch beim Taufen von ehemaligen Straßenkindern in Bamako.

Doch sie musste bald feststellen, dass nur etwa die Hälfte aller schulpflichtigen Kinder tatsächlich in die Schule gehen. Vor allem viele Burschen leben nicht mehr bei ihren Familien, sondern als Straßenkinder in Slums. Schuld daran sei die Praxis, dass Familien ihre Söhne den Marabouts, islamischen Gelehrten, anvertrauten, erzählt Claudia Wintoch im Gespräch mit religion.ORF.at.

Hexerei und Magie

In Westafrika haben die Marabouts durchaus den Stellenwert von Lehrern, Medizinmännern oder auch Heiligen. Viele von ihnen pflegen neben islamischem Glaubensgut auch vorislamische Traditionen. Hexerei und Magie spielen nach wie vor eine große Rolle in der Gesellschaft Malis. Die den Marabouts anvertrauten Kinder werden aber nicht selten als Bettler ausgenützt. Viele müssen für ihren Marabout Geld verdienen, werden geschlagen und missbraucht. Einige Kinder könnten fliehen und schließen sich in Kinder- und Jugendbanden, die auf den Straßen leben, zusammen.

Für diese Straßenkinder wollte Claudia Wintoch da sein, und es entstand die Idee des Kinderhilfsprojekts „Healing 2 The Nations“. Am Stadtrand von Bamako erhielt Wintoch von der Regierung ein Grundstück zur Verfügung gestellt und baute dort mit Hilfe von Spendengeldern ein Haus für die Kinder. 16 Kinder leben hier fix, und jede Nacht kommen bis zu 40 weitere Kinder von der Straße, um Unterschlupf zu finden.

Kinderhilfswerk von Claudia Wintoch in Mali

H2TNI/Wintoch

Ehemalige Straßenkinder in Bamako, im Hilfswerk von Claudia Wintoch

Heilung im Namen Jesu

Claudia Wintoch ist Christin und hat ihre Wurzeln im „Vienna Christian Center“ - eine freikirchliche Gemeinde, die zum Gemeindebund der Freien Christengemeinden/Pfingstgemeinden (FCGÖ) gehört. Von dort brach sie nach Mali auf. Seit wenigen Tagen ist sie jedoch wieder zurück in Österreich. Ausländer wurden vergangene Woche aufgefordert, das westafrikanische Land zu verlassen. Die Islamisten aus dem Norden waren Bamako bereits gefährlich nahe gekommen. Vor allem in der Hauptstadt Malis leben einige hundert europäische und US-amerikanische Christinnen und Christen, die sich in zahlreichen Sozialprojekten einsetzen und Missionsarbeit leisten.

Auch Claudia Wintoch möchte durch ihre Arbeit den Menschen in Mali „das Evangelium näher bringen“, wie sie sagt. Als Pastorin betreut sie drei Gemeinden, hält Gottesdienste und versucht Menschen zu heilen - nicht nur seelisch, sondern auch physisch. Sie ist fest davon überzeugt, dass sie dazu den Auftrag Jesu hat „in Seinem Namen zu heilen“. Für Afrikaner sei es auch nicht so sonderbar wie für säkularisierte Europäer, wenn plötzlich bei einem Gottesdienst Menschen von ihren Krankheiten geheilt aufstehen und Gott dafür preisen, erzählt sie.

Kinderhilfswerk von Claudia Wintoch in Mali

H2TNI/Wintoch

Bei Gottesdiensten in den von Wintoch betreuten Gemeinden in Mali legt man einander die Hände auf und bitte um Heilung

Politische Unruhen

Zurzeit leben rund zwei Prozent Christen in Mali. Vom Norden ausgehend stellt der Islam die Mehrheitsreligion, jedoch in einer sehr oft mit Elementen traditioneller afrikanischer Religionen angereicherten Form. Im Süden des Landes gibt es je nach Schätzung bis zu sieben Prozent Animisten. „Das Miteinander oder zumindest Nebeneinander der Religionen war bisher kein Problem in Mali, schwierig wurde es nur dann, wenn jemand konvertieren wollte“, erzählt Wintoch. Auch lebten die rund 30 verschiedenen Ethnien Malis bisher weitgehend friedlich zusammen.

Am 21. März 2012 kam es in Mali zu einem Militärputsch. Der Sprecher der Putschisten Amadou Konare begründete den Staatsstreich mit der Unfähigkeit von Präsident Amadou Toumani Toure. Der Präsident habe den seit Januar 2012 andauernden Aufstand der Tuareg-Rebellen der Nationalen Bewegung für die Befreiung des Azawad (MNLA) im Norden des Landes nicht unter Kontrolle bekommen. Unterdessen nahm die MNLA im Norden alle Städte der Region Azawad ein und erklärten am 6. April 2012 die einseitige Unabhängigkeit des Azawad und damit das Erreichen ihres Zieles.

Im Juni 2012 jedoch geriet die MNLA in Konflikt mit den islamistischen Gruppierungen Ansar Dine (Unterstützer des Glaubens) und der Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika (MUJAO). Grund für den Konflikt war, dass die islamistischen Gruppierungen mit der zwangsweisen Einführung der Scharia und der Errichtung eines islamistischen Staates in der Region Azawad begannen - mehr dazu in Mali: Islamisten zerstören heilige Stätten (religion.ORF.at, 19.10.2012)

Kämpfer der islamistischen Gruppe Ansar Dine in Mali

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Kämpfer der islamistischen Gruppierung Ansar Dine

380.000 Menschen auf der Flucht

Infolge der politischen Instabilität sind über 380.000 Malier auf der Flucht, so die Schätzungen verschiedener Hilfswerke. Einerseits fliehen die Menschen vom Norden in den Süden, andererseits in die Nachbarländer Burkina Faso, Mauretanien und Niger. Die politischen Unruhen haben auch viele europäische und US-amerikanische Missionare bewogen das Land zu verlassen. Die eigens für Missionarskinder eröffnete Schule im Bamako wurde wieder geschlossen, erzählt Claudia Wintoch.

Die freikirchliche Pastorin hofft, dass ihre Abwesenheit von „ihren Kindern“ nur von kurzer Dauer sein wird. Die ohnehin geplante Reise nach Europa und Amerika will sie zum Spendensammeln nutzen und schon bald wieder nach Mali zurückkehren. Inzwischen leitet der junge einheimische Pastor Paul Traore das Projekt und will für die Straßenkinder auch in der Krise da sein. Die aktuellen Nachrichten, wonach die kriegerischen Rebellen mit Hilfe französischer Soldaten zurückgedrängt werden konnten, wurden auch im Kinderhilfsprojekt mit Freude aufgenommen. Doch in einem Land, das 15 Mal größer ist als Österreich, sind solche Informationen immer mit Vorsicht zu betrachten.

Kinderhilfswerk von Claudia Wintoch in Mali

H2TNI/Wintoch

Festgottesdienst anlässlich des achten Jahrestages des Kinderhilfsprojektes von Claudia Witoch in Bamako

Wintoch trat mit ihrem Straßenkinderprojekt in Mali dem weltweiten Netzwerk „Harvest International Ministries“ bei. Rund 12.000 Projekte, Gemeinden und Missionsinitiativen versuchen sich in diesem freikirchlichen Netzwerk gegenseitig zu unterstützen und füreinander zu beten. Als Christin glaubt die Pastorin fest daran, dass vor allem das Gebet weit mehr bewegen kann als Soldaten und Missionshelfer.

Marcus Marschalek, religion.ORF.at

Links:

Hilfswerk „Healing 2 the nations“

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Mali: Islamisten zerstören weiter Heiligtümer in Timbuktu
(religion.ORF.at, 26.12.2012)
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