6. Februar: Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung

Der 6. Februar ist der internationale Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung. 2004 wurde das Datum von Stella Obasanjo, der Ehefrau des nigerianischen Präsidenten, ausgerufen und von der UN-Menschenrechtskommission zum internationalen Gedenktag erklärt.

Sie ist ein barbarisches Ritual, nach wie vor Realität, und wird oft zu Unrecht mit dem Islam in Verbindung gebracht: Seit Jahren wird die weibliche Genitalverstümmelung (englisch: Female Genital Mutilation, FGM) von Menschenrechtsorganisationen bekämpft. Obwohl die FGM in vielen Staaten unter Strafe steht, wird die teilweise oder gänzliche Entfernung der äußeren weiblichen Geschlechtsorgane in einigen Ländern nach wie vor praktiziert. Vor allem in West- und Ostafrika liegt die Rate der verstümmelten Frauen bei bis zu 100 Prozent. Am 6. Februar wird deshalb seit 2004 weltweit der „internationale Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung“ ausgerufen.

Eine Landkarte von Afrika mit der Verbreitung von weiblicher Genitalverstümmelung

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Besonders im Osten Afrikas ist die FGM weit verbreitet

Keine Beschneidung, sondern Verstümmelung

Der Begriff „Verstümmelung“ wird seit 1991 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie Frauen- und Menschenrechtsorganisationen bewusst verwendet, da der früher gebräuchliche Ausdruck „weibliche Beschneidung“ suggeriert, es handle sich um ein Pendant zur männlichen Beschneidung. Diese wird aus religiösen oder hygienischen Gründen durchgeführt und steht in ihrer Intensität in keinem Vergleich zu den Eingriffen und Folgen der weiblichen Genitalverstümmelung.

Todesfälle und lebenslange Beschwerden können die Folgen der oft unter katastrophalen hygienischen Bedingungen durchgeführten Eingriffe sein. Oft herrscht ein großer gesellschaftlicher Druck auf die Familien, ihre Töchter der Prozedur zu unterziehen. Die Eingriffe werden meist vor oder in der Pubertät durchgeführt und werden je nach dem Ausmaß der entfernten Teile in vier Grade unterteilt.

Eine ägyptische Frau spricht mit anderen Frauen, warum sie ihre Töchter nicht beschneiden lassen sollen

REUTERS/Tara Todras-Whitehill

Frauen sind vielerorts maßgeblich an der Weitergabe der Tradition an ihre Töchter beteiligt. Hier eine Informationsveranstaltung von Frauen für Frauen gegen FGM in Ägypten 2006

„Kulturelles Phänomen“

Wolfram Reiss, Professor für Religionswissenschaft an der Evangelisch-Theologischen Fakultät Wien sagt im Gespräch mit religion.ORF.at, dass die im Westen verbreitete Ansicht, FGM sei eine islamische Praxis, ein Irrtum sei. In Ägypten etwa werde sie von Angehörigen aller Religionsgemeinschaften praktiziert, so Reiss. Die FGM stelle ein kulturelles Phänomen dieser Region dar und sei bereits in pharaonischer Zeit belegt.

Religiöse Argumente gegen FGM

Christlich wird das Engagement gegen FGM damit begründet, dass Gott die Menschen so geschaffen hat, wie sie sind, weshalb sie nicht verletzt werden dürfen.

Islamische Gelehrte argumentieren gegen die FGM damit, dass der Prophet Mohammed seine eigenen Töchter nicht verstümmeln ließ. Zudem hat laut Koran eine muslimische Frau das Recht auf eine erfüllte Sexualität.

Der Grund für die grausame Praxis liegt Reiss zufolge in der Machtdemonstration patriarchaler Strukturen. Allerdings werde sehrwohl versucht, sie auch religiös zu legitimieren, denn die Frau werde in diesem Zusammenhang als gefährlich betrachtet, führt der Religionswissenschfter aus.

Immerhin: Das Engagement kirchlicher und nichtkirchlicher Organisationen habe einen Rückgang der Praxis zur Folge, bestätigt Reiss gegenüber religion.ORF.at. Dabei kämen die Initiativen nicht nur von aussen, sondern seien auch aus einer aufklärerischen Debatte innerhalb Ägyptens entstanden, so der Wissenschafter. Evangelische, koptische und orthodoxe Kirchen würden in Oberägypten mit Kampagnen in Familienzentren Aufklärungsarbeit leisten.

Weltweit mehr als 155 Millionen Frauen betroffen

Eine jener Organisationen, die sich seit Jahren gegen die FGM einsetzten, ist die Österreichische Plattform gegen weibliche Genitalverstümmelung (stopFGM), die kürzlich ihr zehnjähriges Bestehen feierte. Bei einer Pressekonferenz zu diesem Anlass am Montagvormittag in Wien betonte Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), wie wichtig es sei, das Thema „aus der Tabuzone“ zu holen. Tradition, Religion oder Kultur dürfe niemals als Rechtfertigung für Gewalt herangezogen werden, so die Frauenministerin.

Schätzungen zufolge seien weltweit mehr als 155 Millionen Frauen von Genitalverstümmelung betroffen, jährlich wachse diese Zahl um etwa zwei Millionen. Das seien circa 5.500 täglich, wobei die Dunkelziffer weitaus höher liege, so Heinisch-Hosek. Dabei seien „Frauen hauptsächlich aus West- und Ostafrika betroffen, aber nicht nur. Auch Frauen aus dem Mittleren Osten und Asien sind betroffen, wobei die Datenlage hier aber sehr unzureichend ist“, stellte die Frauenministerin klar.

Senegalesische Männer mit Transparenten gegen die weiblische Genitalverstümmelung

REUTERS/Sarah Crowe/Unicef

Senegalesische Männer bei einer Kundgebung gegen weibliche Genitalverstümmelung im Jahr 2005

Sandra Pfleger, eine ehemalige Mitarbeiterin am European Institute for Gender Equality (EIGE), betonte wie wichtig es sei, einen „partizipativen Ansatz zu entwickeln, um Frauen aber auch Männer in den betroffenen Communities in die Diskussion einzubeziehen“. Aktuell habe das EIGE eine umfassende Studie zur weiblichen Genitalverstümmelung in den 27 EU-Mitgliedsstaaten und Kroatien abgeschlossen. EU-Kommissarin Viviane Reding werde das Ergebnis Anfang März präsentieren.

Erneuter Anstieg der FGM-Fälle in Ägypten

Auch in Zukunft wird das Engagement gegen die FGM weiterhin notwendig sein. In Ägypten zum Beispiel nimmt die Zahl weiblicher Genitalbeschneidungen wieder zu. Darauf wies die Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) am Dienstag hin. "Die Machtergreifung der Muslimbrüder in Ägypten hat den Kampf gegen diese grausamen und frauenverachtenden Praktiken weit zurückgeworfen“, so die NGO in einer Aussendung.

Eine alte Beschneiderin aus Uganda zeigt die Rasierklingen, mit der sie die FGM durchführt

REUTERS/James Akena

Das „Werkzeug“ einer Bescheniderin

Präsident Mohammed Mursi habe Anfang Jänner in einem Fernsehinterview die verbotene Genitalverstümmelung de facto wieder freigegeben, indem er die Entscheidung darüber dem Ermessen der Familie überlassen habe, kritisierte IGFM. Erst im Jahr 2008 war unter Hosni Mubarak die Beschneidung von Mädchen gesetzlich verboten worden. Anlass dafür waren vor allem Todesfälle von jungen Mädchen, die nach der Beschneidung verblutetet waren. Auch Ägyptens Großmufti hatte die weibliche Beschneidungspraxis im jahr 2006 als unislamisch verurteilt.

Mit der Machtergreifung der Muslimbrüder habe sich dieser positive Trend wieder zum negativen gewendet, so die Menschenrechtsorganisation. Muslimbrüder und die mit ihnen verbündeten ultra-fundamentalistischen Salafisten würden in Oberägypten offen die Verstümmelung von Frauen und Mädchen propagieren und mit mobilen Arztgruppen kostenlose Beschneidungen vor Ort anbieten.

religion.ORF.at/APA

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