Bergoglio nicht erster Nicht-Europäer auf Stuhl Petri

Papst Franziskus, vormals Kardinal Jorge Mario Bergoglio aus Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires, ist der erste nicht-europäische Papst seit 1.272 Jahren, so Kirchenhistoriker Rupert Klieber.

Damals war mit Gregor III. zwischen 731 und 741 ein aus Syrien stammender Papst das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche. Auch wenn es bereits eine - gänzlich bis Mitte des 8. Jahrhunderts verortete - Reihe nicht-europäischer Päpste gab: Die Wahl eines Lateinamerikaners zum Papst ist ein weltgeschichtliches Novum. Die bisherigen nicht-europäischen Päpste stammen aus Asien und Afrika. Für den Wiener Kirchenhistoriker Klieber spiegelt die Wahl die „Entwicklung des Papsttums insgesamt wider“, wie er im Kathpress-Gespräch sagte.

Der Wiener Kirchenhistoriker Rupert Klieber

Privat

Kirchenhistoriker Rupert Klieber

„Bis Mitte des 8. Jahrhunderts nach Christus war Rom Teil der gesamten Reichskirche und zum Schluss auch abhängig von Ostrom, also von Byzanz bzw. Konstantinopel. So kam im 7. und 8. Jahrhundert eine Reihe von Päpsten aus dem Osten, aus Syrien. Es gab auch etliche Griechen auf dem Stuhl Petri, von denen man nicht immer genau weiß, ob sie europäische Griechen waren oder solche aus Kleinasien“, so der Kirchenhistoriker der Universität Wien.

Umorientierung im 8. Jahrhundert

Der Einschnitt für die Neuorientierung des Papsttums sei mit der Mitte des 8. Jahrhunderts zu datieren, und zwar parallel zum politischen Umbruch in Europa, wie Klieber explizierte: „Das Papsttum orientierte sich zu den neuen politischen Zentren in Westeuropa, zu den Franken, die mit den Karolingern zur neuen Großmacht in Europa wurden. Damit verschwanden auch die östlichen Patriarchate aus dem Blick und hiermit beginnt auch das eigentliche Papsttum als eine rein europäische Einrichtung“, sagte der Kirchenhistoriker.

Von da an seien nur noch Lateiner auf den Stuhl Petri berufen worden, die meisten stammten aus Italien, es gab aber auch einige wenige Spanier oder Deutsche. „Die neuen politischen Machthaber in Europa holten sich ihre Legitimation von den Päpsten und positionierten sich selbst als die großen Schutzherrn der römischen Päpste“, so Klieber zum wechselseitigen Bezug zwischen „Thron“ und „Altar“ im christlichen Abendland.

Erster Papst stammte aus Asien

Der erste Papst war freilich ein Nicht-Europäer: Simon (Kephas) Petrus stammte aus Kapharnaum und damit aus Asien. Im ersten und zweiten nachchristlichen Jahrhundert kamen die Päpste Evaristus (um 100), er war vermutlich jüdischer Abstammung, und Anicetus (ca. 155 bis 166) aus Asien, letzterer aus dem syrischen Homs. Mit Victor I. (ca. 189 bis 199) kam ein Papst erstmals vom afrikanischen Kontinent. Auch Papst Miltiades (310 bis 314) stammte aus Afrika.

Im 7. und 8. Jahrhundert zeigt sich die Bedeutung Ostroms deutlich in der häufigen Zahl der aus Asien stammenden Päpste: Theodor I. (642 bis 649) wurde in Jerusalem geboren und ist griechischer Abstammung, Sergius I. (687 bis 701) kam ursprünglich aus Palermo und ist syrischer Abstammung. Syrien ist auch das Ursprungsland der Päpste Sisinnius (708), Constantinus I. (708 bis 715), Gregor III. (731 bis 741) sowie des Gegenpapstes Konstantin II. (767 bis 768).

So gab es bis Mitte des 8. Jahrhunderts acht in Asien und zwei in Afrika geborene Päpste. Mit Petrus und Evaristus gab es zwei Päpste, die Juden waren. Fünf Päpste - und noch dazu ein Gegenpapst - stammten aus Syrien.

Papst aus Lateinamerika ist Novum

Einen Papst aus Lateinamerika gab es vor Franzikus freilich noch nie. Für den Kirchenhistoriker Rupert Klieber ist das ein „interessantes und starkes Signal“. „Nachdem er auch schon beim letzten Konklave im Gespräch war, kommt die Wahl gleichsam acht Jahre verspätet. Beim letzten Mal wäre er auch etwas jünger gewesen. Der neue Papst hat aber bereits ein starkes Signal in Richtung sozialer Verantwortung gesetzt“, sagte Klieber.

Seiner Erwartung zufolge dürfte Papst Franziskus zwar „kein Papst der großen Reformen, wohl aber der großen Gesten werden.“ Die Namensgebung deute jedenfalls auf eine der bekanntesten Heiligengestalten in der Geschichte des Christentums überhaupt hin. Franz von Assisi sei vielleicht der „Christus-ähnlichste unter den Heiligen“ gewesen, sein Name stehe für die Zuwendung zu den Armen und die Wahrung der Schöpfung. Eine Ordnungszahl sei für Papst Franziskus derzeit nicht erforderlich: „Solange es keinen Zweiten gibt, braucht man auch keine Ordnungszahl“, so Klieber.

religion.ORF.at/KAP