Wenn Ostern zweimal kommt

Diskussionen über den Termin des Osterfests sind so alt wie das Christentum selbst. Heuer feiern die Ost- und die Westkirchen wie in den meisten Jahren getrennt. Versuche einer Harmonisierung wurden immer wieder unternommen, sind aber bisher stets gescheitert.

Während der Ostersonntag in den Westkirchen heuer auf den 31. März fällt, ist es bei den christlich-orthodoxen Kirchen erst der 5. Mai. Die Orthodoxen berechnen den Ostertermin nach dem Julianischen Kalender, eingeführt 46 vor Christus, die westlichen Kirchen nach dem astronomisch genaueren Gregorianischen Kalender, der 1582 mit der Kalenderreform von Papst Gregor XIII. eingeführt wurde.

Heute „geht“ der Julianische Kalender 13 Tage „nach“. Nur wenn der erste Vollmond nach Frühlingsbeginn mehr als 13 Tage nach dem 21. März liegt, feiern alle Kirchen gemeinsam Ostern, was freilich eher selten der Fall ist: Die nächsten gemeinsamen Osterfeste sind 2014, 2017 und 2025, das bisher letzte war im Jahr 2010.

2.000-jährige Diskussion

Die Diskussion über das richtige Osterfestdatum ist so alt wie die Kirche selbst. Schon in den ersten Jahrzehnten n. Chr. gab es christliche Gemeinden, die Ostern zu Beginn des jüdischen Pessach-Festes feierten (Quartodecimaner), während andere auf den ersten Sonntag danach warteten (Dominicales).

Das Pessach-Datum - die Nacht vom 14. auf den 15. Tag des jüdischen Monats Nissan - wird nach dem Mondkalender ermittelt. Es liegt immer nach dem ersten Frühlingsvollmond. Die Diskussion zwischen den beiden Richtungen zeigt, dass es schon damals, beim sogenannten Osterfeststreit, um die Frage ging, wie groß die Nähe oder die Distanz des Christentums zum Judentum sein sollte.

Erster Einigungsversuch durch Papst Viktor I.

Papst Viktor I. wollte schließlich um 200 eine einheitliche Datierung für die gesamte Kirche durchsetzen. Er ordnete deshalb an, dass in den einzelnen Provinzen Synoden durchgeführt werden. Auf ihnen sprach sich die Mehrheit für die Praxis der Dominicales aus. Entschiedener Widerstand kam indes aus dem Kerngebiet der Quartodecimaner, die Ostern am Pessach-Beginn feierten.

Der Papst verlangte schließlich von ihnen unter Androhung des Ausschlusses aus der Kirchengemeinschaft, sich der Mehrheitsentscheidung zu beugen. Die quartodecimanische Minderheit blieb dennoch das ganze 3. Jahrhundert hindurch ihrem Brauch treu. Beim Konzil von Nicäa (325) wurden die Quartodecimaner schließlich aus der kirchlichen Gemeinschaft ausgeschlossen. Von da an ging ihre Zahl ständig zurück.

Die Silhouette eines Kreuzes vor dem Vollmond

APA/dpa/Arno Burgi

Dass Ostern an einem Sonntag gefeiert wird, wurde bereits Anfang des 3. Jahrhunderts festgelegt. Unklar war danach aber noch, wie mit einem Sonntagsvollmond an einem 21. März umzugehen sei

Winter- oder Frühlingsvollmond?

Der Streit über den richtigen Ostertermin war damit aber noch nicht beendet. Nach wie vor kritisch war ein Sonntagsvollmond an einem 21. März - wie etwa im Jahr 387. Während ihn die einen noch als Wintervollmond ansahen, hielten ihn andere bereits für den ersten Frühlingsvollmond. Aus den Schriften des Kirchenvaters Ambrosius ist zu erfahren, dass sich die Kirche darüber nicht einigen konnte: In Rom feierte man Ostern im Jahr 387 am 21. März, in Alexandrien aber erst am 25. April.

Es dauerte weitere 140 Jahre, bis sich Römer und Alexandriner erneut zu einem gemeinsamen Ostertermin durchringen konnten. 525 bat Papst Johannes I. den Mönch Dionysius Exiguus in der Sache um Rat. Dieser errechnete eine „Ostertafel“ für einen Zyklus von 532 Jahren. Mit der Akzeptanz dieser „Ostertafel“ im Westen wie im Osten war der Osterfeststreit beendet.

1.000 Jahre gemeinsames Ostern

Mehr als 1.000 Jahre lang - bis zur Kalenderreform von Papst Gregor XIII. im Jahr 1582 - gab es also ein gemeinsames Osterdatum für die gesamte Christenheit. Weil die Ostkirchen damals aber die Kalenderreform des Papstes nicht mitmachen wollten, feiern sie ihr Osterfest seither nur von Zeit zu Zeit zeitgleich mit den katholischen und evangelischen „Westchristen“.

In der Neuzeit gab es mehrere Vorstöße, den Ostertag auf einen bestimmten Sonntag festzulegen, doch alle blieben ohne Erfolg. So befasste sich auch das Zweite Vatikanische Konzil mit der Angelegenheit. In einer Erklärung von 1963 bekundeten die Konzilsväter ihre Bereitschaft, das Osterfest auf einen bestimmten Sonntag im Gregorianischen Kalender zu legen - unter der Voraussetzung, dass alle, auch die getrennten Ostkirchen, zustimmen.

Archivbild vom Eröffnungsgottesdienst des Zweiten Vatikanischen Konzils

APA/dpa/Gerhard Rauchwetter

Auch während des Zweiten Vatikanischen Konzils - im Bild der Eröffnungsgottesdienst im Jahr 1962 - wurde ein Vorstoß in Richtung eines gemeinsamen Ostertermins unternommen

Schließlich war es Papst Paul VI., der die Initiative ergriff und vorschlug, Ostern ab 1977 - als alle Osterfesttermine zeitlich zusammenfielen - auf den Sonntag nach dem zweiten Samstag im April zu legen. Fast alle Bischofskonferenzen waren einverstanden, das Ja der Ostkirchen blieb allerdings aus.

Das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel signalisierte ein „schwerwiegendes pastorales Problem“, das einer längeren Prüfung bedürfe. Ein vorerst definitives Nein kam 1982 von der Klostergemeinschaft auf dem Berg Athos - der Plan musste erneut auf Eis gelegt werden.

Jüngster Versuch 1997

Die jüngste Etappe auf dem Weg zu einem gemeinsamen Termin war 1997 eine Konferenz auf Initiative des Weltkirchenrats in Aleppo, bei der auch der Vatikan vertreten war.

Der Entwurf sah vor, den Ostertermin weiterhin auf den Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond zu legen. Als Grundlage der Berechnungen nach „genauestmöglichen wissenschaftlichen Methoden“ sollte allerdings nicht der Nullmeridian von Greenwich, sondern der Längengrad von Jerusalem benutzt werden. In der Praxis würde diese Variante freilich deutlich in Richtung Westkirche tendieren - vermutlich der Grund dafür, dass erneut keine Einigung möglich war.

Weitere Schismen befürchtet

Dass der Julianische Kalender modernen mathematischen und astronomischen Anforderungen nicht standhält, ist auch in der Orthodoxen Kirche klar. Das Festhalten am alten Kalender hat vielmehr kirchenpolitische und traditionelle Gründe. Eine Reform würde derzeit wohl auch zu einer innerorthodoxen Zerreißprobe und zu Abspaltungen führen, wie das auch schon in der Vergangenheit geschah.

1923 etwa nahm die rumänisch-orthodoxe Kirche vom Julianischen Kalender Abstand. Das führte zu einer Spaltung, die bis heute andauert - heute gibt es rund 500.000 sogenannte Altkalendarier in der rumänisch-orthodoxen Kirche. Später machte die Kirchenleitung die Kalenderentscheidung teilweise wieder rückgängig: Die fixen Kirchenfeste wie Weihnachten werden heute nach dem Gregorianischen Kalender gefeiert, bewegliche Feste wie Ostern wieder nach dem Julianischen.

Diese Regelung findet sich auch in einigen anderen orthodoxen Kirchen wie der bulgarisch-orthodoxen und dem griechisch-orthodoxen Patriarchat von Konstantinopel. Andere Kirchen wiederum - beispielsweise die russisch-orthodoxe und die serbisch-orthodoxe - halten vollständig am Julianischen Kalender fest.

Der russich-orthodoxe Patriarch Kirill I.

REUTERS/Maxim Shemetov

Die Ostkirchen - im Bild der russisch-orthodoxe Patriarch von Moskau und ganz Russland, Kyrill I. - berechnen ihren Ostertermin noch heute nach dem Julianischen Kalender

Der „kommunistische Kalender“

Die größten Schwierigkeiten in der Ostertermindiskussion kommen derzeit aus der russischen Orthodoxie und vom Berg Athos, zumal der Gregorianische Kalender hier mitunter als „Kalender eines Papstes“ bewertet wird. Speziell in Russland kommt erschwerend hinzu, dass der Gregorianische Kalender durch die kommunistische Partei eingeführt wurde und somit auch als „kommunistischer Kalender“ gilt.

Ein Votum des Heiligen Synods der russisch-orthodoxen Kirche für eine Reform des Ostertermins ist derzeit kaum zu erwarten, doch auch von katholischer oder evangelischer Seite fehlen derzeit innovative Vorstöße.

Gemeinsame Feiern im Nahen Osten

Jene Stimmen in West und Ost, die für einen fixen gemeinsamen Termin plädieren, mehren sich allerdings. So meint etwa der Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), der orthodoxe Bischofsvikar Nicolae Dura, dass der gemeinsame Termin gerade in einer zunehmend glaubensfernen Gesellschaft ein deutliches Zeichen des gemeinsamen christlichen Glaubens wäre.

Einen konkreten Schritt hat die römisch-katholische Kirche heuer im Nahen Osten gesetzt: Das Lateinische Patriarchat von Jerusalem wird heuer das orthodoxe Osterdatum, den 5. Mai, übernehmen. Betroffen sind die Pfarren Israels, der Palästinensergebiete, Jordaniens und Zyperns. Ausnahmen gibt es lediglich in Bethlehem und in Jerusalem. Die vielfach erhoffte dauerhafte Harmonisierung des Osterdatums dürfte aber trotz allem noch in weiter Ferne liegen.

religion.ORF.at/KAP

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