Hildegard Burjan: Ein Leben voll Entschlossenheit

Am 11.6.1933 starb Hildegard Burjan. Sie war Sozialpionierin, Gründerin der Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis und Politikerin. 2012 wurde sie seliggesprochen. Sie beschritt ungewöhnliche und bis heute aktuelle Wege in der Sozialpolitik.

Hildegard Burjan war Sozialpionierin, Österreichs erste christlich-soziale Parlamentarierin und Gründerin der katholischen Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis (CS). Sie beschritt innovative und ungewöhnliche Wege in der Politik wie auch in ihrem sozialen Engagement. Unkonventionell war auch ihr persönlicher Lebensweg, der sie als Jüdin zum Katholizismus führte, als eine der erste Frauen ins österreichische Parlament brachte und als verheiratete Frau einen Frauenorden gründen und leiten ließ.

Hildegrad Burjan 1928

Caritas Socialis

Hildegard Burjan 1928

Weggefährten

Hildegard Burjan (Mädchenname: Freund) wurde am 30 Jänner 1883 in Deutschland im sächsischen Görlitz in eine liberale jüdischen Familie geboren. Sie studierte in Zürich und Berlin Literatur, Philosophie und Sozialwissenschaft, ehe sie 1907 den gebürtigen Ungarn Alexander Burjan heiratete. Ein Jahr später erkrankte sie schwer und wurde in einem Ordenskrankenhaus behandelt. Nach ihrer Heilung übersiedelte das Ehepaar nach Wien, wo beide die österreichische Staatsbürgerschaft annahmen.

Die katholischen Schwestern des Spitals hatten bei Burjan so großen Eindruck hinterlassen, dass sie zum katholischen Christentum konvertierte. Von da an engagierte sie sich sozial und setzte sich entschieden für die Gleichberechtigung der Frau, für die Bekämpfung der Kinderarbeit und für die Überwindung sozialer Missstände ein. So rief sie Frauen etwa dazu auf, nur Produkte von Fabrikanten zu kaufen, die ihren Arbeiterinnen gerechte Löhne und gute Arbeitsbedingungen garantierten.

Wegbereiterin

Viele soziale Rechte für Frauen und Kinder, die heute selbstverständlich sind, gehen auf Burjans Initiative zurück. Zu ihren wichtigsten politischen Forderungen zählte schon damals „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ für Frauen.

1912 gründete Burjan den „Verband der christlichen Heimarbeiterinnen“ und 1918 den Verein „Soziale Hilfe“. Als Frauen 1919 erstmals das aktive und passive Wahlrecht ausüben konnten, zog Burjan als erste christlich-soziale Abgeordnete in das österreichische Parlament ein. Für Burjan galt das Credo: „Volles Interesse für die Politik gehört zum praktischen Christentum.“

Obwohl sie nur kurze Zeit dem Parlament angehörte, galt sie schon bald als dessen „Gewissen“. Die tief religiöse Hildegard Burjan stellte sich dem Elend großer gesellschaftlicher Schichten und verschloss vor Jugendkriminalität, Verwahrlosung und Prostitution nie die Augen. Dadurch erwarb sie sich auch den Respekt sozialdemokratischer Politiker.

Hildegrad Burjan 1928

Caritas Socialis

Hildegard Burjan 1919 inmitten ihrer männlichen Kollegen im österreichischen Parlament

„Beweglich und einsatzbereit für jede Not“

Am 4. Oktober 1919 gründete sie die religiöse Schwesterngemeinschaft „Caritas Socialis“, mit dem Auftrag, soziale Not der Zeit zu erkennen und zu lindern. „Wir wollen etwas Neues, nicht etwas bereits Bestehendes, sondern der Zeitnot angepasst; keine Klausur oder eingeengt sein durch klösterliche Formen, sondern beweglich und immer einsatzbereit für jede Not, die auftaucht“, so ein Zitat der Pionierin.

Als große Ausnahme in der neueren Ordensgeschichte war Hildegard Burjan zugleich Oberin ihrer Gemeinschaft, Ehefrau eines der führenden Industriellen seiner Zeit - Alexander Burjan war Generaldirektors der Österreichischen Telephonfabriks AG - und Mutter einer Tochter. Außerdem war sie die Beraterin führender Politiker der Ersten Republik, darunter Bundeskanzler Prälat Ignaz Seipel.

Als im Jahr 1920 Neuwahlen anstanden, zog sich Burjan aus Rücksicht auf ihre stark angeschlagene Gesundheit und wegen der zunehmenden antisemitischen Strömungen auch innerhalb ihrer Partei aus dem Parlament zurück, blieb aber weiter politisch aktiv. Hildegard Burjan starb am 11. Juni 1933 an einem schweren Nierenleiden. 1963 leitete Kardinal Franz König das Verfahren ein, das 2012 zur Seligsprechung durch Papst Benedikt XVI. führte.

Dankgottesdienst

Die Caritas Socialis feiert am 11. Juni um 18 Uhr einen Dankgottesdienst in der Kapelle der Gemeinschaft im neunten Bezirk (Pramergasse 7).

Soziales Engagement bis heute

Die Caritas Socialis engagiert sich mit 900 Mitarbeiterinnen und 300 ehrenamtlichen Mitarbeitern in gesellschaftlichen Bereichen wie Hospiz, Pflege und Demenz, Kinder und Familien. In drei Pflege- und Sozialzentren in Wien wird alten und chronisch kranken Menschen professionelle Pflege und Betreuung angeboten - stationär, in Tageszentren, im CS Hospiz Rennweg, in Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz und zu Hause.

Die CS führt Kindergärten und Horte, ein Wohnheim für Mutter und Kind und eine Sozialberatungsstelle. Weiters engagiert sich der Orden für die Bekämpfung des Menschenhandels. CS-Schwestern sind außerhalb Österreichs auch in Brasilien, Deutschland, Südtirol und Ungarn vertreten.

religion.ORF.at/KAP

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