IStGH: Kein Prozess gegen Benedikt XVI.

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag hat einen Prozess in Zusammenhang mit kirchlichen Missbrauchsfällen gegen vier hohe Vatikan-Geistliche, darunter den emeritierten Papst Benedikt XVI., abgelehnt.

Der Fall würde in der Form, in der er vorgelegt wurde, nicht in die Jurisdiktion des Gerichts fallen, heißt es laut der US-amerikanischen Organisation SNAP (Survivors Network of those Abused by Priests) in einem Brief, den sie am 31. Mai als Antwort vom IStGH erhielt.

SNAP hatte zusammen mit dem New Yorker Center for Constitutional Rights (CCR), das den Opferverband juristisch vertritt, bereits im Jahr 2011 eine 71-seitige Anzeige gegen den damaligen Papst Benedikt XVI., Kardinalsstaatssekretär Tarcisio Bertone, dessen Vorgänger Angelo Sodano sowie den damaligen Präfekten der Glaubenskongregation, William J. Levada, eingebracht. Die beiliegende Dokumentation über Missbrauchsfälle und ihre angebliche Vertuschung durch den Vatikan umfasst 22.000 Seiten.

Papst Benedikt XVI. und Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone

REUTERS/Daniel Dal Zennaro/Pool

Papst Benedikt XVI. und Kardinalsaatssekretär Tarcisio Bertone im Jahr 2012

SNAP macht weiter

Auf die ablehnende Antwort reagierte SNAP keineswegs enttäuscht. „Wir sind weder abgeschreckt noch entmutigt von dieser Nachricht“, so Barbara Blaine von SNAP auf deren Website. Man sei nach wie vor zuversichtlich, dass es einen Prozess beim IStGH geben werde, denn dieser habe in seiner Antwort den Vatikan-Geistlichen weder Immunität zugesprochen noch festgestellt, dass die Verbrechen, die ihnen vorgeworfen würden, nicht schwer genug für den IStGH seien.

Die SNAP-Anzeige wirft den vier hohen Geistlichen vor, sie hätten weltweiten sexuellen Missbrauch ermöglicht und vertuscht und damit „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ begangen. Neben „Völkermord“, „Kriegsverbrechen“ und „Verbrechen der Aggression“ ist dies einer der Tatbestände, die vom IStGH verfolgt werden können, allerdings nur dann, wenn sie seit der Gründung des Gerichts im Jahr 2002 begangen wurden und „die internationale Gemeinschaft als Ganzes berühren“.

Mitglieder der Organisation SNAP mit Schildern bei einer Kundgebung

APA/EPA/Tannen Maury

Mitglieder der Organisation SNAP bei einer Kundgebung im Jahr 2010 in Chicago

Verfahren nach wie vor möglich?

Der gesamte Text des Briefs des IStGH wurde von SNAP nicht veröffentlicht. Der Opferschutzverband interpretiert die Antwort allerdings so, dass bei Vorlage weiterer Beweismittel sehr wohl ein Verfahren gegen die angezeigten Kardinäle möglich sein könnte.

Im Vatikan sieht man das anders. Vatikan-Sprecher Federico Lombardi zeigte sich wenig überrascht über die Nachricht, dass der IStGH das Verfahren abgelehnt habe. „Ich habe nie daran gezweifelt, dass die Antwort so ausfallen würde, angesichts der Haltlosigkeit der Vorwürfe“, wurde er in den vergangenen Tagen von mehreren englischsprachigen Medien zitiert.

Michael Weiß, religion.ORF.at

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