„Jägerstätter“: Leidensdrama eines Nein-Sagers

Im Theater in der Josefstadt feiert heute Felix Mitterers „Jägerstätter“ seine Premiere. Der 2007 seliggesprochene Innviertler habe „nur das Evangelium genau gelesen“, so der Autor.

„Keine Hakenkreuzfahnen, keine Nazi-Embleme, keine Nazi-Uniformen“, fordert Felix Mitterer in den Regieanweisungen für sein Auftragsstück „Jägerstätter“, das am Donnerstag im Theater in der Josefstadt uraufgeführt wird. Auch die Einführung eines Chors und die Darstellung der Töchter der Hauptfigur durch Puppen sind ungewöhnliche Vorgaben, die darauf hinweisen, dass es sich dabei keineswegs um ein herkömmliches Stück handelt.

Es ist eine ungewöhnliche Annäherung an einen außergewöhnlichen Menschen: Der Innviertler Bauer Franz Jägerstätter wurde am 9. August 1943 als Kriegsdienstverweigerer hingerichtet. Am Nationalfeiertag des Jahres 2007 wurde er in Linz seliggesprochen.

Felix Mitterer

Thomas Böhm/Haymon Verlag

Autor Felix Mitterer

„Ein ganz besonderer Mensch“

Jägerstätter sei „ein ganz besonderer Mensch“ gewesen, betonte Mitterer in einem Gespräch mit der Tageszeitung „Die Presse“ am Mittwoch. Im Unterschied zur Einschätzung vieler sei er keineswegs depressiv, schwermütig und „nur aus dem Glauben heraus“ motiviert gewesen. Jägerstätter sei vielmehr sehr lebensfroh gewesen. „Er hat nur genau das Evangelium gelesen“, so der Autor. Über seine Weigerung, Teil eines Vernichtungskrieges zu sein, habe er nur immer gesagt, „ich kann’s halt nicht“.

Als Mitterer mit der im März im Alter von 100 Jahren verstorbenen Franziska Jägerstätter sprach, sei er „draufgekommen auf die unglaubliche Liebesgeschichte zwischen den beiden, die angedauert hat bis zu ihrem Tod“. Sein Stück hätte laut dem Autor auch „Franz und Franziska“ heißen können.

Gregor Bloeb spielt die Titelfigur und hat das Stück ab 3. Juli bei dem von ihm geleiteten Theatersommer Haag angesetzt. Gerti Drassl spielt Jägerstätters Frau Franziska, die ihren Mann um 70 Jahre überlebt hat. Michael Schönborn, Bruder von Kardinal Christoph Schönborn, ist in der Rolle des Oberlehrers und NS-Ortsgruppenleiters zu sehen. Regie führt Stephanie Mohr, die bereits Mitterers Musiktheater-Stück „Die Weberischen“ inszeniert hat und dafür mit dem „Nestroy“ ausgezeichnet wurde.

Gregor Bloeb als Franz Jägerstätter

Moritz Schell

Gregor Bloeb als Franz Jägerstätter

Bloeb: Einmalige Rolle

In einem „Kurier“-Interview am Wochenende bezeichnete Bloeb Mitterers Arbeit als „ein ganz tolles Stück“, bei dem man „als Schauspieler immer wieder an seine persönliche Schmerzgrenzen gehen“ müsse. „So eine Rolle findet man einmal im Leben. Das ist ein heftiges Geschenk“, so der Schauspieler.

„Jägerstätter“

Uraufführung am Donnerstag, 20. Juni, 19.30 Uhr im Theater in der Josefstadt.

Weitere Vorstellungen in der Josefstadt erst wieder ab September: 14., 15., 16., 28., 29. und 30.9.

Aufführungen von 3. Juli bis 9. August in Haag

Karten unter 01/42700-300, www.josefstadt.org und 2013.theatersommer.at

Es ist ein heikles Thema, und Mitterer hat es sich mit seiner Umsetzung nicht leicht gemacht. Anstatt eine realistische Geschichte von religiös begründeter Gewissensnot und Widerstand zu erzählen, machte Mitterer aus „Jägerstätter“ ein fast oratorienhaftes Stationen- und Leidensdrama. Ungewöhnlicher Weise leiden jedoch die anderen Menschen mehr an dem Starrsinn, an der Beharrlichkeit des einfachen Bauern, der als lediges Kind einer Stallmagd aus den ärmlichsten Verhältnissen kam, keineswegs als Heiliger gelebt und sich nur seinem Gewissen verpflichtet gefühlt hat, als Jägerstätter selbst.

Auch Bloeb erinnert im „Kurier“ an die unbekannten Seiten des Seligen: „Der junge Jägerstätter war alles andere als lammfromm. Der hatte das erste Motorrad im Ort, war in Wirtshausschlägereien verwickelt, hat getrunken, war Vater einer unehelichen Tochter - Heilige und Selige sehen anders aus.“ Aber dann habe er die Bibel gelesen, „immer und immer wieder, bis zur letzten, letalen Konsequenz. Das ist schon imponierend.“

Nicht zum Märtyrer berufen

Jägerstätter fühlt sich in Mitterers Stück gar nicht zum Märtyrer berufen, er spricht nur geradewegs aus, was sich andere kaum zu denken trauen. Er beharrt darauf, bei der „Anschluss“-Abstimmung eine Nein-Stimme abgegeben zu haben, als die Ortsnazis noch alles daran setzen, diese Peinlichkeit zu vertuschen und ihn zu schützen.

Er lehnt ab, um Befreiung vom Kriegsdienst anzusuchen, obwohl der kleine Hof von seiner Frau praktisch nicht alleine bewirtschaftet werden kann - von den Nazis will er nichts erbitten. Und er lässt unzählige ihm angebotene Auswege ungenutzt verstreichen, als er sich weigert, seiner Einberufung an die Front Folge zu leisten und damit dem sicheren Todesurteil entgegengeht. Mitterer wollte dem Publikum vor Augen führen, „dass man auch einmal Nein sagen muss“.

Gerti Drassl als Franziska Jägerstätter

Moritz Schell

Gerti Drassl als Franziska Jägerstätter

Die Sturheit eines gar nicht übermäßig religiösen Menschen trieb die ihm Gutgesinnten zur Verzweiflung - auch seine Frau, die dennoch zu ihm stand und schweren Herzens seine Entscheidung akzeptierte. „Eigentlich müsste Franziska auch seliggesprochen werden“, findet Bloeb. Das ganze Dorf habe Jägerstätter damals zugeredet, nachzugeben, so Mitterer. „Und als er fast zusammenbrach, sagte sie, dass sie hinter ihm steht.“

Daher erzählt „Jägerstätter“ nicht nur eine Widerstandsgeschichte, sondern auch eine tieftraurige Liebesgeschichte. Mitterer hat auch den Briefwechsel zwischen Franz in der Todeszelle und seiner Frau Franziska, die zu Hause mit ihren drei Kindern um das Leben ihres Mannes bangte, miteinbezogen. „Es war mir nicht möglich, Euch von diesen Schmerzen, die Ihr jetzt um meinetwegen zu leiden habt, zu befreien“, schrieb er in seinem Abschiedsbrief.

APA/KAP