Rastafari: Schrei nach Freiheit

Die in den 1930er-Jahren in Jamaika entstandene Rastafari-Bewegung richtet sich in ihren Prinzipien gegen jede Form der Unterdrückung. Heute identifizieren sich weltweit auch Nicht-Afrikaner mit diesen Werten.

Reggae-Musik, grün-gelb-rote Accessoires wie Kappen oder T-Shirts und Dreadlocks - die filzigen Haarsträhnen - sind ihre typischen äußeren Kennzeichen, Bob Marley ist ihre Ikone. Sie kämpfen für Freiheit und Unabhängigkeit und gegen jede Art der Unterdrückung: Rastafari - eine Bewegung mit Ursprung in Jamaika.

Zwei Rasta-Frauen neben einem Wandbild, das einen alten Rastafari auf einer Bank sitzend darstellt

Reuters/Luc Gnagno

Elfenbeinküste: Dreadlocks und die Nationalfarben Äthiopiens

Keine Kategorisierung

Vielfach als Religion bezeichnet, wehrt sich Mutabaruka, ein international bekannter jamaikanischer Reggae-Musiker, Poet und Rastafari im Gespräch mit Ö1 und religion.ORF.at gegen eine Kategorisierung: „Rasta ist alles: Philosophie, Anthropologie, Archäologie, Geschichte, kollektives Erbe, Tradition“, so Mutabaruka.

„Es gibt keine Rasta-Religion, sondern eine Rasta-Erfahrung.“ Und doch stützen sich Rastafari in ihrem spirituellen Aspekt auf alttestamentlich-christlich-mystische Elemente. Sie beziehen sich auf die christliche Bibel und bezeichnen Gott mit „Jah“, einer Kurzform des hebräischen Gottesnamens JHWH.

Mutabaruka

http://www.mutabaruka.com / Mutabaruka

Seit den 70er Jahren lebt Allan Hope die Rasta-Religion. Heute ist er erfolgreicher Musiker und nennt sich Mutabaruka

Mutabaruka war Techniker bei der jamaikanischen Telekom, hieß damals mit bürgerlichem Namen Allan Hope und lebte als Christ. In den frühen 70er Jahren begann ihn dann der Rastafari-Glaube zu faszinieren. Das änderte seine gesamte Lebensweise, erzählt er. Neben seiner Tätigkeit als Musiker und „Dub-Poet“ moderiert er die Radiosendung „Muta seh“, in der Mutabaruka hauptsächlich soziale und religiöse Themen diskutiert.

Sendungshinweis

„Jah Live“ - Das Weltbild der Rastafari in
„Tao - aus den Religionen der Welt"
Samstag, 29.6.2013, 19.05 in Ö1.

Und zum Nachhören auf der Homepage von Ö1 sowie mit der Ö1 Radio-App für Smartphones.

Die von Mutabaruka angesprochene Erfahrung drückt sich in einer bestimmten Lebensform aus. Dazu gehört(e) das Wachsenlassen der Haare, viele Männer tragen auch lange Bärte, und das häufig gemeinsame, rituelle Rauchen von Marihuana, das als heilige Pflanze betrachtet wird. Alkohol und Tabak sind aber verpönt und viele Rastafari verzichten auf tierische Produkte.

Die äußerlichen Zeichen sind aber keineswegs Bedingung für Rastafari. Heute ist die Glaubensrichtung weltweit verbreitet, auch Nicht-Afrikaner identifizieren sich mit dem Prinzip der Bekämpfung jeder Form der politischen, sozioökonomischen, kulturellen und religiösen Unterwerfung von Menschen. Wie in anderen religiösen Traditionen auch, besteht auch hier bei einigen Praktizierenden eine Diskrepanz zwischen der reinen Lehre und der gelebten Praxis. So gibt es einige Rastafari-Gruppen, die durch eine explizit homophobe Haltung auffallen.

Haile Selassie etwa 1923

Public Domain

Ras Tafari Makonnen, der spätere Haile Selassie, Anfang der 1920er-Jahre

Göttlicher Kaiser

Ihren Ursprung hat die Rastafari-Bewegung in den 1930er-Jahren in Jamaika. Sie wird als spirituelle Erweiterung der "Back to Africa“-Bewegung verstanden, die sich gegen die Unterdrückung der von den Kolonialmächten versklavten Afrikaner richtete. Diese strebten die Rückkehr nach Afrika und ihre Selbstbestimmung an.

Wesentlich für die Entstehung der Rastafari-Bewegung war Marcus Garvey, ein jamaikanischer Politiker, der die Auswanderung aller Schwarzen nach Afrika propagierte. Er prophezeite in den 1920er-Jahren die Krönung eines schwarzen Königs in Afrika, der alle Schwarzen befreien sollte.

Die Krönung Haile Selassies zum Kaiser von Äthiopien 1930 wurde von den „Back to Africa“-Anhängern als Erfüllung seiner Prophezeiung verstanden. Selassie bezeichnete sich als 225. Nachfolger des biblischen Königs Salomon und als „König der Könige“. Er wird von Rastafari als heilig verehrt und gilt als der wiedergekehrte Jesus Christus, der Messias, der Erlöser. Der Name Rastafari leitet sich vom bürgerlichen Namen Selassies ab: Ras Tafari Makonnen.

Erste und dritte Welt

Was sich früher gegen die Kolonialisierung richtete, wendet sich heute gegen die globalisierte Macht des „Westens“, der als „Babylon“ bezeichnet wird. Die Diskrepanz zwischen der sogenannten ersten und dritten Welt sind die aktuellen Themen der Rastas. „Diese Leute der sogenannten ersten Welt sprechen uns die Fähigkeit ab, überleben zu können, wenn sie nicht eingreifen. Sie mischen sich einfach in unsere Politik, unsere Wirtschaft und unser soziales Leben ein. Aber unsere Vorfahren haben Jahrtausende ohne diese sogenannte ‚Hilfe‘ überlebt“, so Mutabaruka.

„Und jetzt müssen wir feststellen, dass wir von diesen Ländern abhängig sind. Wir wollen frei sein, unabhängig sein von dieser manipulativen, globalisierten Welt! Wir wollen unser Schicksal selbst bestimmen! Wir möchten nicht, dass die alten kolonialen Strukturen weitergeführt werden. Wir haben eine sehr alte Kultur. Und die wird einfach nicht respektiert. Rasta ist ein Schrei. Ein Aufschrei“, benennt Mutabaruka die Dimension von Rastafari.

Bob Marley 1980

APA/AP/XMH XFN CL

Bob Marley 1980. Er trug mit seiner Musik zur Verbreitung der Rastafari-Anliegen bei

Lebenseinstellung

Die Farben der Rastafari-Bewegung sind Rot, Gelb und Grün, es sind jene der äthiopischen Nationalflagge. Sie haben für die Rastas auch symbolische Bedeutung: Rot für das Blutvergießen und die Morde an den verschleppten Sklaven, Gelb beziehungsweise Gold für den Reichtum, der gestohlen wurde, und Grün für das gelobte Mutterland Äthiopien oder Afrika allgemein. Ziel der Rastafari ist die physische oder spirituelle Rückkehr in das Mutterland Äthiopien, das als Wiege der Menschheit gilt. Rasta wehrt sich gegen Diskriminierung und steht für die Vision einer Welt ohne Unterdrückung.

Zentral für Rastafari ist die Betonung der Identität und der Freiheit. „Eigentlich dreht sich alles um Freiheit. Das ist der Angelpunkt von Rasta. Politische, wirtschaftliche, soziale und spirituelle Aspekte sind darin inkludiert“, sagt Mutabaruka. Deshalb werde ein Rasta in New York niemals das Gleiche sagen wie ein Rasta in Kingston, Jamaika. Ihre Erfahrungen seien einfach zu verschieden.

Nina Goldmann, religion.ORF.at

Links:

Homepage von Mutabaruka
Rastafari Works Association