Polen: Rechtsexperten überprüfen Schächtungen

Nach anhaltender Kritik am Schächtverbot in Polen lässt die Regierung prüfen, wie Juden und Muslime dennoch Fleisch erhalten, das ihren religiösen Speisevorschriften entspricht.

In einer am Montagabend vom Verwaltungsministerium herausgegebenen Stellungnahme hieß es, Rechtsexperten des Legislativen Zentrums sollten schnellstmöglich prüfen, ob Schlachtungen für die religiösen Minderheiten des Landes dennoch nach jüdischen und muslimischen Vorschriften durchgeführt werden dürfen. Die Regierung in Warschau hatte mit einer Gesetzesinitiative die Schächtung in Schlachthöfen erlauben wollen, erlitt aber eine Abstimmungsniederlage. Aus Gründen des Tierschutzes stimmte die Mehrheit der Abgeordneten gegen die Erlaubnis.

Parlamentspräsidetntin Ewa Kopacz argumentierte ihre Nein-Stimme etwa mit dem hippokratischen Eid, den sie als Ärtzin geleistet habe. Auch Tieren müsse unnötiges Leid erspart bleiben. Antisemitische Gründe für die Ablehnung seien nicht vorgelegen, wird aus dem Parlament betont.

Eingriff in die Religionsfreiheit

Nach der Parlamentsabstimmung traf sich Verwaltungsminister Michal Boni mit Oberrabbiner Michael Schudrich und Mufti Tomasz Miskiewicz. Beide hatten das am vergangenen Freitag im Parlament beschlossene Schächtverbot als schweren Eingriff in die Religionsfreiheit kritisiert. Besonders verletzt fühlten sich Juden und Muslime in Polen durch die in der Debatte auftauchende Behauptung, diese Art der Schlachtung mit einem einzigen Messerschnitt durch die Halsschlagader des Tieres sei grausam und entspreche nicht der „polnischen Kultur“ und Tradition. Die jüdische Gemeinschaft in Polen blickt auf eine rund tausendjährige Geschichte zurück.

Orthodoxe Muslime mit Huhn vor einer rituellen Schlachtung

Reuters/Nir Elias

Ultraorthodoxe Juden vor einer rituellen Schlachtung in Israel

Israel: „Schächtverbot völlig inakzeptabel“

Das polnische Schächtverbot sorgt aber auch international für Ärger. „Die Entscheidung des Parlaments, ein Gesetz zurückzuweisen, das die koschere Schlachtung in Polen erlaubt, ist völlig inakzeptabel“, sagte Jigal Palmor, ein Sprecher des israelischen Außenministeriums am Montag. Die Entscheidung füge der Wiederbelebung des jüdischen Lebens in Polen schweren Schaden zu. Israel forderte das Parlament auf, seine Entscheidung zu überdenken.

Vertreter der jüdischen Gemeinde in Polen hatten den Parlamentsbeschluss als heuchlerisch und diskriminierend gegenüber den jüdischen und muslimischen Minderheiten bezeichnet. Auch der Jüdische Weltkongress bezeichnete die Entscheidung als „Schlag ins Gesicht“ für die Minderheiten. Das oberste Gericht Polens hatte diese rituelle Art der Schlachtung im November auf Druck von Tierschutzgruppen verboten. Bei der Schächtung wird dem Tier ohne Betäubung die Kehle durchgeschnitten, sodass es ausblutet.

Muslime seit 600 Jahren in Polen

Mufti Tomasz Miskiewicz vom Verband der Muslime in Polen kritisierte in einer Stellungnahme am Montag ebenfalls die Einschränkungen für gläubige Muslime, die nach religiösen Speisevorschriften leben wollen. „Das macht es unmöglich, das wichtigste muslimische Fest zu begehen“, sagte Miskiewicz mit Blick auf das Opferfest am Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan. Niemals in der 600-jährigen Geschichte der Muslime in Polen sei es zu so einer Einschränkung des religiösen Lebens gekommen.

Die meisten der polnischen Muslime sind Tataren, die seit Jahrhunderten in Nordostpolen ansässig sind. Außerdem leben Einwanderer und Studenten aus arabischen Staaten in Polen.

dpa

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