Schweiz: Ja zu längerer Sonntagsöffnung, Nein zu Burkas

55,8 Prozent der Schweizer stimmten am Sonntag für längere Ladenöffnungszeiten. Im Kanton Tessin stimmten 65 Prozent für ein Verbot des muslimischen Gesichtsschleiers.

Mit der entsprechenden Änderung des Arbeitsgesetzes können künftig Tankstellen und Raststätten an Autobahnen und Hauptverkehrsstraßen in der Eidgenossenschaft auch an Sonntagen ihre Geschäfte rund um die Uhr öffnen. Bislang mussten sie ihre Shops in der Regel in den Nachtstunden schließen.

Die Kirche müsse das Ergebnis des Referendums zur Kenntnis nehmen und könne nichts dagegen tun, sagte der Vorsitzende der katholischen Schweizer Bischofskonferenz, Bischof Markus Büchel von St. Gallen, in einer ersten Reaktion. Der Kirche gehe es nicht „um ein paar Bratwürste“, sondern grundsätzlich darum, dass der Sonntag als soziales, kulturelles und natürlich als religiöses Gut geschützt werde, betonte Büchel.

Ausweitungen der Geschäftszeiten befürchtet

„Wir haben immer argumentiert, es soll keinen Dammbruch geben betreffend die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten und der Sonntagsarbeit“, sagte der Bischof. Es gelte nun genau zu beobachten, ob nicht doch weitere Ausnahmen vorgenommen würden. Er persönlich, so Büchel, könne sich „nicht vorstellen, dass es nur um diese paar Tankstellenshops geht, denn sonst wäre nicht so ein großer politischer Aufwand betrieben worden“.

Laut Medienangaben stimmten die Bürger in 21 der 26 Kantone mehrheitlich für die Änderung des Arbeitsgesetzes. Abgelehnt wurde die Liberalisierung der Öffnungszeiten am Sonntag in den Kantonen Freiburg, Neuenburg, Uri, Wallis und Jura. Die Schweizer „Sonntagsallianz“ - sie ist ebenso wie die Österreich-Allianz Mitglied im Europa-Dachverband „European Sunday Alliance“ - bekräftigte, sie werde sich weiterhin gegen Ausdehnungen der Ladenöffnungszeiten und „für die Bewahrung gesellschaftlicher wie sozialer Erholungszeiten“ einsetzen.

Verbot der Gesichtsverhüllung

Größeres Aufsehen erregt das Burka-Verbot in der Südschweiz. Als erster Kanton in der Schweiz sprach sich das Tessin für ein diesbezügliches Verbot aus. Rund 65 Prozent der Wählerstimmen konnte am Sonntag eine entsprechende Initiative des Journalisten Giorgio Ghiringhelli auf sich vereinen, die das Tragen des muslimischen Ganzkörperschleiers für Frauen verbieten will. Die Kantonsverfassung soll dem Vorstoß zufolge um folgenden Zusatz erweitert werden: „Niemand darf sein Gesicht auf öffentlichen Straßen und Plätzen verhüllen oder verbergen. Niemand darf eine andere Person aufgrund ihres Geschlechts dazu zwingen, ihr Gesicht zu verhüllen.“

Eine Frau mit Burka

APA/dpa/Boris Roessler

Burkatragende Frau

Zwar werden weder die Burka noch der ebenfalls als Ganzkörperschleier genutzte Nikab erwähnt. Aber unter den Verfechtern der Initiative finden sich Berichten zufolge viele Islam-Kritiker. Ghiringelli selbst hatte von einem „vorbeugenden Charakter“ gesprochen, zugleich aber eingeräumt, dass es im ganzen Kanton kaum eine Frau gebe, die solche Kleidungsstücke trage.

Parlament lehnte Initiative ab

Das Tessiner Parlament hatte Ghiringellis Initiative im April abgelehnt und einen eigenen Vorschlag zur Abstimmung vorgelegt. Dieser sah statt einer Verfassungs- eine Gesetzesänderung vor, die darauf abzielte, Gesichtsbedeckungen in der Öffentlichkeit zu verbieten - auch bei Demonstrationen und Sportveranstaltungen. Ausnahmen sollten Helme für Motorradfahrer, Staubfilter für Arbeiter oder Masken zur Fasnacht sein.

Nicht aufgenommen wurde das Verbot, jemanden wegen seines Geschlechts zur Verhüllung zwingen zu können. Dieser Vorschlag fand zwar auch eine Mehrheit, unterlag aber in der sogenannten Stichfrage der Initiative Ghiringhellis.

„Trauriger Tag für Menschenrechte“

„Amnesty International“ sprach von einem „traurigen Tag für die Menschenrechte“. Der Islamische Zentralrat der Schweiz (IZRS) sah in dem Abstimmungsergebnis den „Ausdruck einer zunehmend breitangelegten gesellschaftlichen Islamophobie“. Es handle sich um einen Versuch, Muslimen das Leben in der Schweiz „zunehmend unangenehm zu gestalten und islamische Elemente aus dem öffentlichen Raum zu verbannen“.

Gleichzeitig deutete der IZRS Zweifel an der Umsetzbarkeit von Ghiringhellis Initiative an. Um das Burka-Verbot in der Kantonsverfassung zu verankern, ist die Zustimmung der Schweizer Bundesversammlung erforderlich. Er erwarte, dass es in der Schweiz künftig weitere solcher Initiativen geben werde, zitierte die „Basler Zeitung“ den Politologen Anton Schaller. Zuletzt sorgte 2009 eine Anti-Minarett-Initiative international für Schlagzeilen.

KAP

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