Caritas-Präsident Küberl zieht sich zurück

Nach 18 Jahren als Chef der größten Hilfsorganisation Österreichs wird Caritas-Präsident Franz Küberl (60) nicht mehr für das Amt kandidieren. Er war der erste Nichtgeistliche, der an der Spitze der Caritas stand.

Bei der am 13. November anstehenden Präsidentenwahl wird ein neuer Präsident gewählt. „Ich bin dankbar dafür, dass ich 18 Jahre lang in der Funktion als Caritas-Präsident meinen Beitrag für ein menschlicheres Österreich leisten durfte“, so der scheidende Caritas-Präsident in einer Stellungnahme. Küberl bleibt aber weiterhin Direktor der Caritas der Diözese Graz-Seckau. Diese Funktion hat er seit 1994 inne. Er bleibt auch ORF-Stiftungsrat.

„Neue Akzente“

Es sollen neue Akzente ins Spiel kommen, so der 60-Jährige in einem Interview im Ö1-Morgenjournal am Mittwoch. „Ich gebe Teile nach 18 Jahren ab - neue Ämter, neue Personen“, sagte Küberl. Mit dem neuen Papst habe das nichts zu tun, sagte Küberl auf Befragen, im Gegenteil, der Kampf gegen Armut sei ja eines seiner Ziele.

„Armut ist ja leider immer unter uns, und die Politik hat Angst vor der Armut, deshalb wird sie auch nicht bekämpft.“ Er hoffe, dass sich die neue Regierung dem Kampf gegen die Armut nicht verschließe - das sei ja nichts, was in ein paar Jahren erledigt werden könne.

Nicht „darauf achten, ob jemand etwas gefällt“

Dass es in seiner Tätigkeit auch zu Kritik an der Caritas gekommen sei, stellte Küberl in dem Gespräch nicht in Abrede: "Als Caritas kann man nicht darauf achten, ob jemand etwas gefällt. Wenn jemand in einer misslichen Situation ist, muss man ihn unterstützen.

Franz Küberl

APA/Roland Schlager

Der scheidende Caritas-Präsident Franz Küberl

„Gefallen werden wir erst im Himmel“, so Küberl in Anspielung etwa auf die Unterstützung für die Flüchtlinge, die die Wiener Votivkirche besetzt hatten. Als Stiftungsrat wünsche er sich unter anderem von der neuen Regierung, dass dem ORF jene 58 Millionen Euro aus der Gebührenbefreiung refundiert werden.

Im Kathpress-Gespräch am Mittwoch sagte Küberl, der neue Präsident solle „frischen Wind“ in die Caritas bringen. Weiters sagte er, dass es nach 18 Jahren einfach Zeit sei, dass eine „neue Kraft“ die Funktion des Präsidenten übernimmt. Er habe sich seinen Entschluss, nicht mehr für das Amt zu kandidieren, reiflich und lange überlegt, so Küberl: „Und es ist der richtige Schritt.“ Es gebe schließlich auch keine „Erbpacht“ auf das Amt des Präsidenten. Er sprach von einem „Teilrückzug“. Als steirischer Caritas-Direktor wolle er noch rund drei Jahre weiterarbeiten, „wenn das auch der kommende neue Bischof so will“.

Nachfolge: Landau als Insiderfavorit

Küberls Nachfolger als österreichischer Caritas-Präsident wird in geheimer Wahl aus den Reihen der neun Caritas-Direktoren der Diözesen gekürt. Sie gilt für drei Jahre, danach ist eine - auch mehrfache - Verlängerung möglich. Unter Insidern wird der Wiener Caritas-Chef Michael Landau als Favorit gehandelt.

Die Wahl erfolgt bei der Direktorenkonferenz der katholischen Hilfsorganisation, die diesmal in Vorarlberg (konkret im Bildungshaus Batschuns) stattfindet. Wahlberechtigt sind die Caritas-Landesdirektoren selbst sowie der für die Hilfsorganisation zuständige Diözesanbischof von Innsbruck, Manfred Scheuer.

Entwicklungshilfe „Trauerspiel“

Die Caritas sei eine großartige Einrichtung mit großartigen Mitarbeitern, ehrenamtlichen wie hauptamtlichen, so Küberl. In besonderer Weise wolle er aber auch die vielen Spender erwähnen und die vielen Menschen, „die auch für uns beten“. Alle gemeinsam würden wesentlich dazu beitragen, dass die Kirche zumindest ansatzweise dem Auftrag Jesu nachkommen könne, sich den Bedürftigen zuzuwenden und sich für Gerechtigkeit einzusetzen.

Als „Trauerspiel“ bezeichnete der 60-Jährige die staatliche Entwicklungshilfe. Große Sorgen bereite ihm auch die Obdachlosigkeit, es brauche mehr leistbaren Wohnraum. „Armut wird auch in Zukunft ein großes Thema bleiben“, so Küberl. Ganz zentral sei deshalb auch der Bereich der Bildung, denn nur über Bildung könne es den Menschen gelingen, Armut zu überwinden.

Mindestsicherung und Grundversorgung

Zu seinen größten Erfolgen zählt Küberl die Einführung der bedarfsorientierten Mindestsicherung und der Grundversorgung für Asylwerber, wobei er vor rund zehn Jahren mit dem damaligen Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) heftige, auch medial ausgetragene Auseinandersetzungen führte.

Franz Küberl in Haiti

APA/Helmut Fohringer

Franz Küberl im März 2013 bei der Eröffnung des 400. Caritas-Hauses in Haiti

Küberl wurde 1953 in Graz geboren. Seine berufliche Laufbahn begann er als Diözesansekretär der Katholischen Arbeiterjugend der Steiermark. 1976 wurde Küberl Bundessekretär der Katholischen Jugend Österreichs. In dieser Funktion war er von 1978 bis 82 Obmann des Österreichischen Bundesjugendringes.

1982 kehrte Küberl als Referent im Katholischen Bildungswerk nach Graz zurück. Von 1986 bis 1993 bekleidete er die Funktion des Generalsekretärs der Katholischen Aktion Steiermark. 1994 wurde Küberl von Bischof Johann Weber zum Direktor der Caritas der Diözese Graz-Seckau bestellt, seit 1995 ist er auch Präsident der Caritas Österreich. Im Jänner 2003 erlitt Küberl eine Gehirnblutung. Er wurde jedoch rechtzeitig gefunden und erholte sich nach einer Operation wieder. Küberl lebt in Graz, er ist verheiratet und hat zwei Söhne.

Mitwirkung bei „Nachbar in Not“

Anlässlich der Tsunami-Katastrophe 2004 ermahnte Küberl die österreichische Bundesregierung streng, versprochene Hilfsgelder auch tatsächlich zu bezahlen. Im Dezember 2010 stand er mit Vertretern anderer Hilfsorganisationen mit 3.000 Holzkreuzen vor dem österreichischen Parlament und forderte mehr Entwicklungshilfegelder im Rahmen der Aktion „3.000 Kinderleben“. Wesentlich war auch sein Mitwirken bei der Aktion „Nachbar in Not“ im Kosovo, in Pakistan, im Sudan, in Haiti und derzeit für syrische Flüchtlinge.

Im Mai 2013 wurde Küberl von Bundespräsident Heinz Fischer mit dem Großen Silbernen Ehrenzeichen der Republik Österreich ausgezeichnet. Fischer begründete die Auszeichnung damals damit, dass Küberl „seit Jahrzehnten in Wort und Tat für Mitmenschlichkeit und das soziale Gewissen eintritt“. Auch wenn nicht alle Vorschläge und Anliegen der Caritas politisch umgesetzt werden könnten, so müsse die Caritas hartnäckig sein und bleiben, weil sich Erfolge im Sozialbereich meist erst längerfristig zeigen, so Fischer damals.

„Auch Hadern mit dem Herrgott“

Er sehe sich als Katholik wie jeder andere auch, so der scheidende Caritas-Präsident in einem Interview in der „Furche“ anlässlich seines 60. Geburtstags: „Der Versuch, ein gläubiger Mensch zu sein, ist eine lebenslange Suche, eine Strapaze, die - das ist mir gerade in der Caritas bewusst geworden - auch zum Hadern mit dem Herrgott führen kann“, angesichts des vielen unbewältigbar erscheinenden Leids.

Gegen jede Jenseitsvertröstung halte Küberl an dem Wunsch fest, „dass es für die Menschen auf dieser Welt eine Dimension der Hoffnung in handfester Form gibt“, und dass sich Menschen nicht „als Prügelknaben dieser Welt vorkommen“ müssten. Letztlich bleibt nach den Worten des Ex-Caritas-Chefs „nichts anderes übrig, als die Ärmel aufzukrempeln und zu versuchen, die Lage zu verbessern - selbst wenn man nur ein paar Millimeter weiterkommt“.

religion.ORF.at/KAP/APA

Mehr dazu:

Link: