Gedenken: Kirchen trauern mit jüdischen Gemeinden

Der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) bekennt sich zur Mitverantwortung vieler Christen, „auch Verantwortungsträger der Kirchen“, an den Novemberpogromen des Jahres 1938.

„Die christlichen Kirchen in Österreich trauern mit den jüdischen Gemeinden aus Anlass des 75. Jahrestages der November-Pogrome“: Mit diesem Satz beginnt eine Erklärung, die der Vorstand des Ökumenischen Rates am Donnerstag im Gedenken an den in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 entfesselten antisemitischen Furor am Donnerstag veröffentlichte. Überall im damaligen nationalsozialistischen Machtbereich, auch in Österreich, wurden damals Synagogen zerstört und viele jüdische Mitbürger getötet oder misshandelt.

„Fehlgeleitete Theologie“

Im Hintergrund seien politische Naivität, Angst und fehlende Liebe ebenso gestanden wie eine „fehlgeleitete Theologie, die über Jahrhunderte hinweg die Verachtung des jüdischen Volkes gelehrt hatte“. Das habe viele veranlasst, „gegenüber dem Unrecht und der Gewalt zu schweigen, die jüdischen Menschen in unserem Land angetan wurden“.

"Reibpartie" Wien 3, Hagenmüllergasse 15, März 1938.
Juden werden gezwungen, die Straße von politischen Parolen zu säubern.

Unbekannt/DÖW

„Reibpartie“ Wien 3, Hagenmüllergasse 15, März 1938. Juden werden gezwungen, die Straße von politischen Parolen zu säubern.

Schon in den „erbärmlichen Szenen“ auf Österreichs Straßen nach dem sogenannten „Anschluss“ im März 1938 habe sich abgezeichnet, was am 9. und 10. November dann allzu deutlich geworden sei - nämlich die Absage einer fanatischen Ideologie an die Ehrfurcht vor Gott und an den Respekt vor der Würde jedes Menschen. „Trotzdem haben viele Mitglieder der christlichen Kirchen damals geschwiegen, ja manche haben sich an den Verbrechen beteiligt“, so die Erklärung.

Damals „zu wenig Gerechte“

Der ÖRKÖ hält fest, dass es sei nicht möglich sei, Christ zu sein, „ohne die jüdischen Wurzeln des Glaubens hoch zu schätzen“. 1938 hätten nur wenige diese Einsicht geteilt, etwa die in der sogenannten „Hilfsstelle für nichtarische Katholiken“ im Erzbischöflichen Palais, in der Schwedischen Israel-Mission, in der anglikanischen Gemeinde und in der Hilfsstelle der Quäker Engagierten.

Brennende Synagoge, Wien 2, Große Schiffgasse 8

Unbekannt/DÖW

Brennende Synagoge, Wien 2, Große Schiffgasse 8

Sie seien angepöbelten und verfolgten Juden „mit Rat und Tat, vor allem aber mit menschlicher Nähe zur Seite gestanden“. Insgesamt müsse 75 Jahre nach den schrecklichen Ereignissen von 1938 aber einbekannt werden, „dass es in unserem Land damals ‚zu wenig Gerechte‘ gegeben hat“.

Dankbarkeit für jüdisches Leben in Österreich

Heute versichern die christlichen Kirchen im Ökumenischen Rat ihre freundschaftliche Verbundenheit mit den jüdischen Gemeinden. Das sei „Ehre und Auftrag für uns“. Das Gedenken an das Pogrom vor 75 Jahren sei Anlass für Dankbarkeit für die vielfältigen Formen jüdischen Lebens in Österreich. Beteuert wird in der Erklärung zudem Wachsamkeit und Widerstand gegenüber „jeglicher Form von Politik, die auf Abwertung und Ausgrenzung von Minderheiten setzt“ beziehungsweise antisemitische Anklänge aufweist.

Zu bleibend tragfähigen christlich-jüdischen Beziehungen solle zudem die Verbundenheit im Glauben beitragen, so der ÖRKÖ: „Wir Christen bekennen mit dem jüdischen Volk den Gott Israels.“ Die Kirchen würden ihren Glauben so verstehen und lehren, „dass das nicht in Abwertung der jüdischen Religion geschieht, sondern in stetiger Erinnerung an Gottes Treue zu seinem erwählten Volk“.

Ökumenischer Gedenkgottesdienst

Unter dem Titel „Mechaye Hametim - Der die Toten auferweckt“ wird am Samstag, 9. November, um 17.00 Uhr in der Wiener Ruprechtskirche ein ökumenischer Gedenkgottesdienst gefeiert. Dabei werden der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker und die Präsidentin der Frauenordens-Vereinigung Österreichs, Sr. Beatrix Mayrhofer, mit Blick auf die Novemberpogrome 1938 Worte des Gedenkens sprechen. Anschließend findet ein Schweigemarsch zum Mahnmal auf dem Wiener Judenplatz statt.

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