Vatikan-Umfrage: Deutsche Ergebnisse veröffentlicht

Die Deutsche Bischofskonferenz hat am Montag die Ergebnisse der vatikanischen Umfrage zu Ehe und Familie veröffentlicht. Wie in Österreich zeichnet sich eine starke Differenz zwischen Lehre und Leben ab.

Ob vorehelicher Sex, Verhütung oder Homosexualität - die katholische Kirchenlehre entspricht in vielen Punkten nicht mehr dem gelebten Alltag der Gläubigen. Das bestätigen nach den österreichischen nun auch die deutschen Ergebnisse der Vatikan-Umfrage zu den Themen Ehe und Familie.

Die Deutsche Bischofskonferenz veröffentlichte am Montag die kompletten Ergebnisse der Befragung in den 27 deutschen Diözesen und 20 katholischen Verbänden und Institutionen. Eine stärkere Beachtung des einzelnen Menschen in seiner eigenen Verantwortung sei erforderlich, heißt es in einer ersten Bewertung.

Die Befragung dient der Vorbereitung der Bischofssynode zum Thema Familie vom 5. bis 19. Oktober im Vatikan. Katholische Laienorganisationen, darunter etwa die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands, hatten in den vergangenen Wochen eine Veröffentlichung der deutschen Umfrageergebnisse angemahnt. Die Österreichische Bischofskonferenz hatte ihre Ergebnisse bereits im Jänner vorgelegt - mehr dazu in Vatikan-Umfrage: Lehre und Leben driften auseinander.

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APA/dpa/Uwe Zucchi

Deutsche Bischofskonferenz

Familienbild „idealistisch und lebensfern“

Nach Einschätzung der Befragten leben in Deutschland 90 bis 100 Prozent der Paare, die um eine kirchliche Trauung bitten, oft schon mehrere Jahre zusammen. Die Katholiken in Deutschland akzeptierten ein solches Zusammenleben ohne große Vorbehalte, heißt es in der Mitteilung der Bischofskonferenz. Lediglich drei Prozent nähmen hier eine strikt ablehnende Haltung ein. Auch Trauungen von Paaren, die bereits Kinder haben, nehmen zu. Dabei wird das Zusammenleben als allgemein übliche Vorstufe der Ehe betrachtet. Viele halten eine Eheschließung ohne voreheliches Zusammenleben gar für unverantwortlich.

Die kirchlichen Aussagen zu vorehelichem Geschlechtsverkehr, zur Homosexualität, zu wiederverheirateten Geschiedenen und zur Geburtenregelung finden bei den Gläubigen kaum Akzeptanz und werden überwiegend ausdrücklich abgelehnt. Das katholische Familienbild wirke auf viele zu idealistisch und lebensfern, heißt es in der Auswertung. Insbesondere die Vorgaben der Kirche zur Sexualmoral und zur Familienplanung, welche allein die natürliche Empfängnisverhütung zulassen, sind nur für sehr wenige Paare relevant.

Neue Ausdrucksform nötig

Die kirchliche Sexualmoral werde als reine Verbotsmoral wahrgenommen und von der Argumentation und Sprache her als unverständlich und lebensfern betrachtet. Die Weigerung der Kirche, homosexuelle Lebenspartnerschaften gesellschaftlich und rechtlich anzuerkennen, wird darüber hinaus als Diskriminierung verstanden.

Insbesondere im Bereich der Sexual-, Ehe- und Familienethik gelte es, eine Ausdrucksform zu finden, die eine Befreiung vom Vorurteil der Leibfeindlichkeit und einer lebensfeindlichen Gesetzesethik ermögliche, heißt es in der von der Bischofskonferenz veröffentlichten Zusammenfassung der Antworten. Es komme darauf an, die zentrale Botschaft der Kirche von Ehe und Familie in ihrer unbedingten Bejahung des Lebens und des Leibes in einladender Weise zu vermitteln.

Bericht dreisprachig vorgelegt

Wie die deutsche katholische Nachrichtenagentur KNA berichtet, hat die Deutsche Bischofkonferenz ihren Bericht nicht nur in deutscher Sprache vorgelegt, sondern auch auf Englisch und auf Italienisch, um ihn auch für Bischöfe in anderen Teilen der Welt zugänglich zu machen. Insgesamt lägen im Vatikan derzeit etwa 100 Zusammenfassungen aus allen Kontinenten vor, so die KNA.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) nannte die Veröffentlichung der Ergebnisse einen „wichtigen Schritt zu einer ehrlichen und offenen Kommunikation“. Die katholischen Laien sähen darin einen Ausgangspunkt für eine neue Debatte über Konsequenzen für die Verkündigung und für das kirchliche Leben, erklärte ZdK-Präsident Alois Glück.

Ähnlich äußerte sich der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ). Zugleich zeigte sich der Bundesvorsitzende Dirk Tänzler wenig überrascht von den Ergebnissen. „Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, weiß dass die Realität so aussieht“, sagte Tänzler der deutschen katholischen Nachrichtenagentur KNA. Zugleich rief er dazu auf, die Debatte weiterzuführen. „Die Leute interessieren sich für die Lehre der Kirche - und das ist das Entscheidende!“

dpa/KAP/KNA

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