Vatikan-Botschafter: Kinderschutzbericht unzulänglich

Der UNO-Botschafter des Vatikans, Erzbischof Silvano Maria Tomasi, hat den Bericht des UNO-Kinderrechtskomitees über den Umgang des Vatikans mit Missbrauchsfällen als unzulänglich kritisiert.

Der vom UN-Kinderrechtskomitee am Mittwoch veröffentlichte Bericht enthalte zahlreiche Unzulänglichkeiten, irreale Annahmen und Kompetenzüberschreitungen, sagte Tomasi im Gespräch mit „Radio Vatikan“. Er zeigte sich erstaunt darüber, dass der Bericht die Neuerungen der vergangenen zwei Jahre beim Kinderschutz in der Kirche offenbar gar nicht berücksichtigt habe.

Tomasi hatte sich vor zwei Wochen einer Anhörung zu dem Thema vor der UNO gestellt. „Das schien mir ein konstruktiver Dialog, und ich denke, so sollte es auch weiterhin sein. Nach dem Eindruck, den die Delegation des Heiligen Stuhls beim Treffen mit dem UN-Kinderrechtskomitee hatte, sind wir nun bei dem Text mit diesen Empfehlungen versucht zu sagen, dass dieser Text wohl vorher geschrieben wurde“, so Tomasi wörtlich.

In dem Bericht blieben nicht nur die jüngeren Kinderschutzmaßnahmen des Heiligen Stuhles unreflektiert, sondern auch jene der Bischofskonferenzen, so Tomasi. Die Fakten dürften nicht verdreht werden. „Wir können jetzt nicht in zwei Minuten auf alle Behauptungen antworten, die in diesem Abschlussbericht aufgestellt werden und die zum Teil nicht korrekt sind. Ich bin mir aber sicher, dass der Heilige Stuhl in Ruhe antworten wird. Wir haben die UN-Kinderschutzkonvention unterzeichnet und wollen sie auch einhalten.“

Vatikan-Diplomat Silvano Tomasi

APA/EPA/Martial Trezzini

Erzbischof Silvano Tomasi bei der Anhörung des Vatikans bei den Vereinten Nationen am 16. Jänner

„Kirche hat reagiert“

Mit Blick auf Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche betonte Tomasi erneut die eindeutige Position des Heiligen Stuhls dazu: „Die Kirche hat darauf reagiert und tut das weiterhin. Wir müssen auf unserer Politik der Transparenz und Intoleranz von Missbrauch beharren, weil schon jeder einzelne Fall von Kindesmissbrauch ein Fall zu viel ist.“

Ungereimtheiten im UNO-Bericht ortet Erzbischof Tomasi unter anderem beim Thema Lebensschutz. So heiße es etwa in der Präambel der vom Vatikan unterschriebenen Kinderrechtskonvention, Kinder seien vor und nach ihrer Geburt zu schützen. Gleichzeitig werde dem Vatikan in dem UNO-Bericht aber nahegelegt, seine Position zur Abtreibung zu überdenken. Das Kirchenrecht solle geändert werden und die Kirche solle zulassen, dass unter bestimmten Umständen Abtreibung zulässig ist.

„In gewisser Weise hat das Kinderrechtskomitee den Vereinten Nationen keinen guten Dienst erwiesen, indem es versucht, mit dem Vatikan über Positionen der Lehre zu verhandeln, die nicht verhandelbar sind“, so Tomasi dazu. „Das sind Werte und Prinzipien, die im Interesse des Gemeinwohls und der Menschheitsfamilie stehen. Es ist etwas traurig zu sehen, dass das Komitee offensichtlich nicht ganz die Natur und die Funktionen des Heiligen Stuhls erfasst hat.“

Null-Toleranz-Politik

Ähnlich wie Tomasi äußerte sich auch der stellvertretende Rektor der Päpstlichen Universität Gregoriana, der deutsche Jesuit Hans Zollner. Insbesondere im Kampf gegen sexuellen Missbrauch habe der Vatikan laut Zollner „in den letzten 13 Jahren“ eine Null-Toleranz-Politik eingeleitet, die im Vergleich zu anderen Staaten in einigen Punkten zeitweise beispiellos war. Diese Anstrengungen würden in dem immerhin 16-seitigen UNO-Bericht wenig berücksichtigt, so Zollner im „Radio Vatikan“-Interview.

„Ich habe den Eindruck, dass es in dem Bericht um viele Dinge geht, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten falsch gelaufen sind, wo es auch viel gab, was die Kirche nicht umgesetzt hat“, so Zollner. „Aber die jüngsten Bemühungen des Heiligen Stuhls scheinen mir nicht in genügendem Maß widergespiegelt zu sein: die Bemühungen um mehr Transparenz, den Versuch, das Kirchenrecht neu zu definieren und neue Normen einzuführen.“

Lobend anerkannt wird im UNO-Bericht die geplante Einrichtung einer vatikanischen Kinderschutzkommission, welche die Glaubenskongregation unterstützen soll. Auch hebt die Kommission die weltweite Basisarbeit der katholischen Kirche im Bereich Kinderschutz hervor. Insgesamt stellt die UNO dem Heiligen Stuhl in ihrem Bericht aber ein schlechtes Zeugnis aus: Die Kinderschutzarbeit werde in der Praxis nicht systematisch genug weltweit umgesetzt, auch das Kirchenrecht müsse hier nachgebessert werden.

Zum Thema sexueller Missbrauch zählt der Bericht eine ganze Reihe Verfehlungen auf, die sich auf die katholische Weltkirche beziehen: Missbrauchsfälle seien auf höchster Ebene vertuscht worden, Täter lediglich versetzt worden und straflos geblieben und zivile Behörden nicht informiert worden.

„Keine neuen Vorwürfe“

All das sei richtig, urteilte Zollner, wenn auch heute nicht unbedingt mehr gültig. Zu den zitierten Fällen habe der Vatikan klar Stellung bezogen. „Das ist alles unumwunden auch mehrfach schon gesagt worden, es ist ohne Umschweife gesagt worden, dass es da großes Unrecht und Verbrechen gegeben hat", so Zollner. Insofern sind die Punkte, die im UN-Bericht genannt werden, keine neuen Sachen.“

Nachbesserungsbedarf für den Heiligen Stuhl sieht der Jesuit beim Tempo der Bearbeitung von Missbrauchsfällen an der Glaubenskongregation - diese sei durch die Menge der Fälle teilweise überfordert gewesen - und bei der Prozessordnung: diese müsse transparenter werden.

Auch müsse dringend die Frage der Mitverantwortung der Bischöfe und Ordensoberen bei Missbrauchsfällen in den jeweiligen Ortskirchen geklärt werden, um Vertuschung und Straflosigkeit in Zukunft unterbinden zu können: „Das ist einer der wichtigsten Punkte, die unbedingt gelöst werden müssen, weil das ein ständiger Skandal ist und vor allem auch in USA eine große straf-und zivilrechtliche Implikation hat.“

Unrealistische Forderungen

Einige Forderungen des UNO-Kinderrechtskomitees beurteilte der Jesuit im Gespräch mit „Radio Vatikan“ jedoch als unrealistisch - etwa jene nach einem „Mechanismus auf hoher Ebene“, der den Schutz der Kinderrechte weltweit in allen Einheiten - vom päpstlichen Rat bis hin zum jeweiligen Ortspfarrer - garantieren soll.

Das UNO-Komitee gehe wohl vom Trugschluss aus, dass die katholische Kirche problemlos „in allem durchregieren und durchgreifen“ könne, so Zollner: „Wenn man also in Rom auf den Knopf drückt, dann soll das so auch in der Demokratischen Republik Kongo und Brasilien funktionieren. So kann es aber nicht funktionieren, weil wir in der internationalen Perspektive sehen müssen, dass es ganz unterschiedliche Rechtskulturen gibt, dass es auch Rechtsvorschriften gibt, die unterschiedlich sind, und dass die katholische Kirche nur das tun kann, was der jeweilige Staat fordert.“

Nach Maßgabe der Glaubenskongregation seien die Verantwortungsträger der Ortskirchen dazu angehalten, mit den zivilen Behörden des jeweiligen Landes zusammenzuarbeiten und sich an das jeweils gültige Strafrecht zu halten, erläuterte der Jesuit. Dieses variiert aber von Staat zu Staat: So gibt es in einigen Ländern eine Anzeigepflicht, in anderen aber nicht, so etwa in Deutschland oder Italien.

KAP

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