Historiker: Auch im Vatikan um 1938 „Rassen-Denken“

Der Vatikan hat sich rassistischen Auffassungen in den 1930ern nach Ansicht des Historikers John Connelly zwar entschieden widersetzt, gleichwohl hätten „rassische Kriterien“ im Denken der Kirchenspitze eine Rolle gespielt.

Bei einer Tagung der katholischen Akademiker-Vereinigung Görres-Gesellschaft in Rom verwies Connelly am Donnerstag auf einen Beitrag der vatikanischen Tageszeitung „L’Osservatore Romano“ aus dem Jahr 1938, in dem die Ansicht vertreten werde, aus sogenannten gemischtrassigen Ehen gingen „physisch minderwertige Kinder“ hervor.

Zudem zitierte der Historiker, der an der kalifornischen Universität Berkeley lehrt, aus einem Schreiben des späteren Papstes Pius XII. (1939 bis 1958) von 1934 an die deutsche Reichsregierung. Darin bezeichnet der damalige Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli die Existenz von Rassen als „biologische Tatsache“, deren Einfluss auf die jeweilige Kultur nicht zu leugnen sei.

Bilanz aus Öffnung der Archive

Der Vatikan habe sich jedoch immer klar dagegen positioniert, den Begriff der Rasse zu überhöhen. Als berühmtestes Beispiel nannte Connelly die Enzyklika „Mit brennender Sorge“, in der Papst Pius XI. (1922 bis 1939) die Vergötzung der Rasse verurteilte, was damals insbesondere gegen die Politik des NS-Regimes gerichtet war.

Papst Pius XI.

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Pius XI.: Rassen als „Basiswert der Gesellschaft“

Zugleich bezeichne der Papst Rassen darin aber auch als einen „Basiswert der menschlichen Gemeinschaft“, so Connelly, der 2012 unter dem Titel: „From Enemy to Brother“ (Vom Feind zum Bruder) eine Studie zur Wandlung im katholischen Denken über das Judentum vorgelegt hat.

Mit der Tagung „Vatikan und ‚Rassendebatte‘ in der Zwischenkriegszeit“ will die Görres-Gesellschaft eine Forschungsbilanz zehn Jahre nach Öffnung der Archivbestände aus dem Pontifikat Pius XI. ziehen. Nach Angaben der Veranstalter soll sie zur weiteren Erforschung der Auseinandersetzung der römischen Kurie mit den Rassentheorien und -gesetzen der 1920er- und 1930er-Jahre anregen. Weitere Themen der von 20. bis 22. Februar dauernden Tagung sind „Kirche und Eugenik-Debatte in den 1920er- und 1930er Jahren“ und „Die Auseinandersetzung im Umfeld des Vatikans mit der NS-Ideologie“.

religion.ORF.at/KAP

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