Martini: Bedenken gegen Wojtyla-Heiligsprechung

Im Heiligsprechungsverfahren für Papst Johannes Paul II. (1978 bis 2005) sollen nach Informationen der Mailänder Tageszeitung „Corriere della Sera“ auch Bedenken laut geworden sein.

Der prominente frühere Mailänder Erzbischof Kardinal Carlo Maria Martini (1927 bis 2012) habe als Zeuge Vorbehalte geäußert, berichtete die Zeitung am Mittwoch unter Berufung auf nicht zugängliche Prozessakten. „Ich möchte die Notwendigkeit seiner Heiligsprechung nicht besonders unterstreichen, da mir scheint, dass das historische Zeugnis seiner ernsten Hingabe für die Kirche und für den Dienst an den Seelen ausreicht“, zitierte die Zeitung aus Martinis Stellungnahme aus dem Jahr 2007.

Kardinal Carlo Maria Martini

AP/Pier Paolo Cito

Kardinal Carlo Maria Martini

Martini hatte sich bereits 2011 im „Corriere della Sera“ reserviert gegenüber einer Heiligsprechung geäußert. Der im August 2012 verstorbene Kardinal war eine der prägenden Gestalten der Italienischen Bischofskonferenz und galt als profiliertester Vertreter ihres progressiven Flügels.

Ortskirchen „vernachlässigt“

Martini hatte laut „Corriere della Sera“ zu Protokoll gegeben, Johannes Paul II. habe vor allem in seinen letzten Jahren die Ortskirchen zugunsten der neuen geistlichen Bewegungen vernachlässigt. Zudem kritisierte der Kardinal nach Darstellung der Zeitung, durch die vielen Reisen des Papstes sei die Rolle der Ortskirchen und der Ortsbischöfe in den Hintergrund gedrängt worden. In der öffentlichen Wahrnehmung sei Johannes Paul II. zum „Bischof der Welt“ geworden. Der Gesundheitszustand von Johannes Paul II. habe einen zeitigeren Rücktritt nahegelegt, gab der „Corriere“ Martini wieder.

Als Erzbischof von Mailand leitete Martini von 1979 bis 2002 die größte Diözese Europas. Dabei bezog der Jesuit bei nahezu allen heißen Fragen Gegenposition zu den „Konservativen“ in der katholischen Kirche, vom Thema der Dezentralisierung der Kirche über Sexualität bis zur Frage der Stärkung der Laien und der Frauen innerhalb der Hierarchie. Vielen galt er außerdem als aussichtsreicher Papst-Kandidat und als liberale Hoffnung.

Johannes Paul II. wird am 27. April zusammen mit Johannes XXIII. in Rom heiliggesprochen. Sein Verfahren war das kürzeste der Neuzeit. Insgesamt wurden 114 Zeugen angehört, unter ihnen 35 Kardinäle, 20 Bischöfe und ein jüdischer Vertreter.

religion.ORF.at/KAP

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