Der lange Weg zur „Ehre der Altäre“

Selig- und Heiligsprechungen laufen in der katholischen Kirche nach strengen Regeln ab. Zentral ist dabei die Bestätigung eines göttlichen Wunders auf Fürsprache des „Kandidaten“ hin.

Die Heiligsprechung (Kanonisation, auch Kanonisierung) ist in der katholischen Kirche eine feierliche Erklärung des Papstes über das vorbildlich christliche Leben eines Menschen und über seine endgültige Aufnahme bei Gott. Nach der Kanonisation, die während eines Festgottesdienstes vollzogen wird, darf die betreffende Person als Vorbild und Fürsprecher weltweit verehrt werden.

Der Heiligsprechung geht die Seligsprechung voraus, die auf Grundlage eines kirchliches Prozesses in mehreren Instanzen erfolgt. Im Zuge dessen muss nachgewiesen werden, dass die Person schon zu Lebzeiten „im Ruf der Heiligkeit“ stand und deswegen nach ihrem Tod von Gläubigen verehrt wird.

Das Wunder als Beweis

Das allein reicht aber nicht aus. Als „Beweis“ für die Seligkeit eines Menschen erfordern die strengen Regeln des Vatikans, dass ein Wunder, das auf seine Fürsprache hin von Gott gewirkt wurde, nachgewiesen wird. Nur bei Märtyrern, die wegen „Hasses auf den Glauben“ ermordet wurden, wird auf den gesonderten Nachweis eines Wunders verzichtet.

Wird mit der Seligsprechung die regionale Verehrung des Seligen zugelassen, so ermöglicht die Heiligsprechung die weltweite Verehrung. Grundlage dafür ist ein weiteres bestätigtes Wunder, das allerdings nach der Seligsprechung erwirkt worden sein muss - auch für Märtyrerinnen und Märtyrer.

Ordensfrau fotografiert Petersdom mit Gemälden von Johannes Paul II. und Johannes XXIII.

Reuters/Stefano Rellandini

Auf dem Petersplatz laufen die Vorbereitungen auf das Megaevent Heiligsprechung auf Hochtouren

Fünf Jahre Wartezeit

Ein Seligsprechungsprozess darf frühestens fünf Jahre nach dem Tod der jeweiligen Person begonnen werden. In Einzelfällen - wie zum Beispiel bei Johannes Paul II. - kann der Papst allerdings verfügen, dass auf diese Wartezeit verzichtet wird. Das Verfahren beginnt in jener Diözese, in der der oder die vermeintlich Selige gestorben ist. Dazu muss der Ortsbischof vom Betreiber des Verfahrens - das kann die Diözese selbst sein, aber beispielsweise auch eine Gruppe von Gläubigen - um die Einleitung des Verfahrens gebeten werden.

Sendungshinweis:

ORF 2 überträgt die Heiligsprechung von Johannes Paul II. und Johannes XXIII. am Sonntag, 27.4. live ab 9.05 Uhr.

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Der Bischof holt die Genehmigung, das „nihil obstat“, des Vatikans ein und beauftragt dann eine diözesane Kommission mit der Überprüfung des Lebens der Person, die seliggesprochen werden soll. Im Zuge dieser Überprüfung wird entweder das Martyrium oder der sogenannte heroische Tugendgrad des „Dieners Gottes“, wie der Kandidat während des Verfahrens bezeichnet wird, untersucht. Dazu werden, wenn möglich, Augenzeugen befragt und sämtliche erhaltene Publikationen des Verstorbenen durchforstet.

Der „Advocatus Diaboli“ als Skeptiker

Zuständig für das Zusammentragen sämtlicher Dokumente und Informationen ist der Postulator. Ihm stellt der Bischof einen Promotor gegenüber, der die Aufgabe hat, die Recherchen des Postulators zu prüfen und zu hinterfragen. Wenn kein Martyrium vorliegt, muss zusätzlich ein Wunder auf Fürsprache des vermeintlichen Seligen hin nachgewiesen werden. Dazu ernennt der Bischof einen medizinischen Experten, der überprüft, ob eine angebliche Wunderheilung tatsächlich medizinisch nicht erklärbar erscheint.

Kommt der Ortsbischof angesichts der Ergebnisse all dieser Berichte zu einem positiven Ergebnis, leitet er das gesamte Dossier an die Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse im Vatikan weiter. Dort wird alles noch einmal überprüft. Auch hier treten sich ein Postulator und ein Promotor als Gegenspieler gegenüber. Letzterer wurde früher „Advocatus Diaboli“ („Anwalt des Teufels“) genannt - eine Bezeichnung, die als alltägliche Redensart bis heute überlebt hat.

Am Ende stimmt eine Theologenkommission über Martyrium bzw. heroischen Tugendgrad ab. Kommt auch sie zu einem positiven Ergebnis, wird dem Papst ein Dekret vorgelegt. Erst mit seiner Unterschrift wird der Märtyrertod bzw. der heroische Tugendgrad offiziell bestätigt und der „Diener Gottes“ darf künftig „Ehrwürdiger Diener Gottes“ genannt werden.

Medizinische Experten prüfen Wunder

Die Bestätigung der Wundertätigkeit läuft ähnlich ab: Die Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse hat einen Beirat von medizinischen Experten, die die Dokumente aus der Diözese gründlich prüfen. Finden auch sie keine medizinische Erklärung für ein angebliches Wunder, wird dem Papst erneut ein Dekret zur Bestätigung vorgelegt. Erst wenn auch dieses unterschrieben ist, kann die Seligsprechung erfolgen.

Das Heiligsprechungsverfahren schließt direkt daran an. Die Recherchen über das Leben des „Dieners Gottes“ werden zwar nicht erneut durchgeführt, der Prozess zur Bestätigung eines Wunders beginnt aber von neuem. Dabei ist es unerheblich, ob in der Seligsprechung ein Martyrium oder ein Wunder ausschlaggebend war - im Heiligsprechungsverfahren muss auch bei Märtyrern ein Wunder auf ihre Fürsprache hin nachgewiesen werden.

Rund 7.000 Heilige und Selige

In der Kirche wurden anfangs die Heiligen ohne förmlichen Prozess zur „Ehre der Altäre“ erhoben. Weil es dabei zu Übertreibungen und Parteilichkeiten kam, zog der Papst den Vorgang an sich. Der erste von einem Papst Heiliggesprochene war Bischof Ulrich von Augsburg im Jahr 993. Das Regelwerk für Selig- und Heiligsprechungen wurde mehrmals reformiert, die aktuelle Fassung wurde 1983 unter Papst Johannes Paul II. geschaffen.

Heute kennt das Gesamtverzeichnis der Seligen und Heiligen der katholischen Weltkirche, das „Martyrologium Romanum“, rund 7.000 namentlich bekannte Selige und Heilige. Das Wort „Heiliger“ stammt vom griechischen Wort „hagios“ ab, was so viel wie „gottgeweiht, heilig, sakral, fromm“ bedeutet.

Heilige von biblischer Zeit bis zur Gegenwart

Im Neuen Testament (Kolosserbrief 1,2) werden alle Mitglieder der christlichen Gemeinde als „Heilige“ bezeichnet. In der kirchlichen Verwendung wurde dieses Prädikat jedoch schon sehr früh auf Menschen beschränkt, die in einem besonderen Maß als tugendhaft und glaubensstark galten, so wie die Apostel und die Evangelisten.

Der erste Beleg einer Märtyrerverehrung ist der um 160 geschriebene Bericht über Polykarp von Smyrna, in der westlichen Kirche breitete sich die Märtyrerverehrung wahrscheinlich während der Verfolgungen im 3. Jahrhundert aus und verband sich unter dem Einfluss Tertullians zu einer Verehrung der Märtyrer als Heilige. Der erste Nichtmärtyrer, der als Heiliger galt, war der bis heute in Österreich und vielen Ländern sehr verehrte Martin von Tours, gestorben 397.

Seit dem Frühmittelalter wurden zunehmend entweder große Lichtgestalten der Christenheit (Kirchenlehrer, Könige, sogenannte Ritter- und Soldatenheilige usw.) oder Menschen, die ein Alternativkonzept zum alltäglichen christlichen Leben boten (Franziskus, Benedikt) vom Volk regional als Heilige verehrt. Die kirchliche Anerkennung folgte in der Regel erst später.

„Vorbilder im christlichen Leben“

Zwar war die christliche Theologie stets bemüht, die Anbetung (lat. adoratio) allein Gott vorzubehalten und den Heiligen und ihren Reliquien lediglich Verehrung (lat. veneratio) zukommen zu lassen, in der Praxis waren die Ausdrucksformen und Anrufungen jedoch schon seit der Spätantike oft kaum unterscheidbar.

Im Mittelalter trat der Charakter der Heiligen als Vorbilder im christlichen Leben („imitatio Christi“) zugunsten der zugeschriebenen Funktionen als Helfer zurück. Die Gläubigen wählten zur Fürbitte gezielt Heilige aus, denen man bestimmte Attribute zuschrieb. Auch die Entwicklung des Kultes der „vierzehn Nothelfer“ fällt in diesen Zusammenhang. Die Reformation lehnte eine Rolle der Heiligen als direkte Heilsvermittler mit Verweis auf die Bibel strikt ab.

religion.ORF.at/KAP