Baustart für Österreichs größten Hindu-Tempel

Am Stadtrand von Traiskirchen wird er stehen: Rund 600 Quadratmeter Grundfläche und zweistöckig. Am großen Tempel der kleinen hinduistischen Bewegung Gaudiya Math aus Wien wird derzeit eifrig gebaut.

“Mein indischer Guru hat mir aufgetragen, diesen Tempel zu bauen”, sagt Bhakti Sadhak Muni Maharaj, der spirituelle Leiter der Gemeinschaft Gaudiya Math. Schon seit vielen Jahren trage er die Vision dieses Tempels in sich und nun werde sie endlich Realität, sagt der Österreicher, der vor 36 Jahren zu dieser Hindu-Tradition konvertiert ist. Gemeinsam mit zwei seiner Schüler und Anhänger besichtigt er die Baustelle im niederösterreichischen Traiskirchen. Sie tragen leuchtende orangefarbene Gewänder - das Markenzeichen von Gruppen, die sich auf die Hindu-Gottheit Krishna beziehen, wie es etwa auch die Hare-Krishna-Bewegung tut.

Modell des neuen Hindu-Tempels in Traiskirchen

Dasanudas Haridev / Gaudiya Math

Modell des im Bau befindlichen Hindu-Tempels am Stadtrand von Traiskirchen

Vor kurzem ist Grundstein für das Projekt gelegt worden, mit zahlreichen Ritualen ist der Platz geweiht worden. Der Baugrund, ein ehemaliges Semperit-Grundstück nun in Besitz der Bewegung, ist eingebettet zwischen Weingärten auf sanften Hügeln, grünen Feldern und einem schmalen Bach. Direkt daneben verlaufen die Schienen der Badner Bahn, die ca. alle zehn Minuten vorbeifährt. “Wir sind mit dem Grundstück zufrieden, es ist infrastrukturell gut angebunden, aber trotzdem im Grünen”, meint Haridev Das, der seit 15 Jahren Gaudiya Math-Mönch ist.

Tempel für Aussteiger und Senioren

Die Pläne des Tempelprojekts sind durchaus beeindruckend. Insgesamt stehen der Bewegung mehr als 7000 Quadratmeter zur Verfügung. In der Mitte wird der zweistöckige Tempel mit großem Eingangsbereich und Altar stehen. Rundherum sollen auch einige Wohnanlagen für Hindu-Mönche und Anhängerinnen und Anhänger diverser Hindu-Gemeinschaften, ein Garten mit Gemüse, Obst und Blumen, ein Teich sowie verschiedene Opferstätten entstehen. Als Vorbilder dafür dienen indische Ashrams (Sanskrit für “Ort der Anstrengung”) - Meditations- und Einkehrzentren.

“Ich möchte auf jene Weise alt werden, wie es in der vedischen Tradition vorgesehen ist”, sagt der spirituelle Leiter Maharaj und meint damit: an einem ruhigen, etwas abgelegenen Ort, an dem er ungestört meditieren und die Hingabe an Gott praktizieren kann. Er kann sich die Anlage unter anderem auch als “Seniorenresidenz” für mehrere, alternde Hindu-Mönche vorstellen.

Grundsteinlegung für den neuen Hindu-Tempel in Traiskirchen

Dasanudas Haridev / Gaudiya Math

Opferzeremonien bei der Grundsteinlegung für den neuen Tempel in Traiskirchen

Kostspieliges Projekt

Wozu braucht aber eine Bewegung mit nur ein paar Dutzend Mitgliedern solch einen großen Tempel? Die Szene sei relativ lose organisiert, aber der Bedarf absolut vorhanden, sagt Haridev Das. “Die kleineren Räumlichkeiten, die wir im zwölften Wiener Bezirk nutzen, reichen vor allem bei größeren Festen schon lange nicht mehr aus, wir brauchen mehr Platz.” Mehrere hundert Menschen würden den Tempel dann besuchen, aus Österreich und aus den umliegenden, vor allem östlichen, Nachbarstaaten.
Allein der Tempel wird laut Kostenvoranschlag rund 1,2 Millionen Euro kosten, die Gruppe erhofft sich aber eine deutliche Reduzierung der Ausgaben dadurch, dass Mitglieder und Sympathisanten beim Bau mithelfen. Finanziert wird das Projekt laut der Bewegung vor allem über private Spenden und Sponsoren. Die Rede ist von einigen wohlhabenden Indern, die ihr Geld wohltätigen Zwecken zur Verfügung stellen möchten, und von einer Wiener Gruppe, die mit internationalen Unternehmen vernetzt ist. Genauer werden die Mitglieder von Gaudiya Math Wien hier allerdings nicht.

”Hare Krishna”

Gaudiya Math zählt zwar nicht zur Hare-Krishna-Bewegung, hat aber die gleichen Wurzeln in der bengalischen Krishna-Mystik des 16. Jahrhunderts. Gegründet worden ist Gaudiya Math aber erst im späten 19. bzw. frühen 20. Jahrhundert. “Im Zentrum dieser Philosophie steht “Bhakti”, die Hingabe an Gott, insbesondere in Form seiner Manifestation Krishna”, erklärt der Religionswissenschafter Hans Gerald Hödl. Es handle sich um eine monotheistische Strömung innerhalb der Hindu-Traditionen. Die alten heiligen Schriften werden studiert, beispielsweise die Bhagavad Gita, eine der zentralen Schriften der Hindu-Traditionen, täglich werden zahlreiche Rituale durchgeführt und das Mantra “Hare Krishna” wird oftmals täglich gesungen.

Die Hare-Krishna-Bewegung und andere ähnliche, neo-hinduistische Gemeinschaften sind vor allem in den 1960er und 70er Jahren weltweit bekannt geworden, auch in Österreich. Damals und in den folgenden Jahren hatten sie einigen Zulauf an Anhängerinnen und Anhängern, in den vergangenen Jahrzehnten ist es ruhiger geworden. Viel mehr als in Österreich und auch noch in jüngster Vergangenheit hat der sogenannte Vishnuismus, zu dem alle diese Bewegungen zählen, in Ostmitteleuropa geboomt, also in Tschechien, Ungarn, Polen, der Slowakei, sagt Hödl.

Missionierungstendenzen

Einige dieser Bewegungen gelten als missionierend. Früher waren einige orange gekleidete Anhängerinnen und Anhänger auch öfter etwa in Einkaufsstraßen zu sehen, wo sie Bücher und Zeitschriften verteilt und “Hare Krishna” gesungen haben. Heute findet man sie kaum mehr. Gaudiya Math sei zwar auch als eine “Mission” gegründet worden, sagt Haridev Das, aber man verstehe den Begriff in einem anderen Sinn. Auf der Straße fremde Menschen ansprechend werde man sie nicht finden. Auch der Religionswissenschafter erklärt: “Diese Gruppe tritt eher nicht offensichtlich missionierend auf. Aber man kann sich fragen, ob der Bau eines solchen Tempels nicht auch eine Form von Mission ist”, so Hödl.

Zentrum für Hindus aus Österreich und Europa

Die Bewegung Gaudiya Math, zu der auch der kleine Tempel im zwölften Wiener Bezirk und dann jener in Traiskirchen gehört, ist Mitglied in der Hinduistischen Religionsgesellschaft Österreich (HRÖ). Der Präsident der HRÖ, Mukundrai Joshi, zeigt sich erfreut über den Tempelbau. “In Zukunft haben auch die Hindus in Österreich einen richtigen, großen Tempel”, sagt er. Die Gebetsstätte stehe der gesamten Hindu-Gemeinschaft in Österreich offen und sei für daher von großer Bedeutung. Der Religionswissenschafter Hans Gerald Hödl nimmt an, dass sich der Tempel in Traiskirchen künftig zu einem Zentrum für Hindus aus ganz Österreich und darüber hinaus entwickeln könnte.

Kerstin Tretina, religion.ORF.at

Link:

Gaudiya Math Vienna