Bahai feiern 170 Jahre Offenbarung des Bab

Die Anhänger der Bahai-Religion begehen einen ihrer wichtigsten Feiertage: Die Offenbarung des Bab, eines Vorläufers des Religionsgründers Baha’ullah, jährt sich am Donnerstag zum 170. Mal.

In der österreichischen Bahai-Gemeinde wird dieser Tag gefeiert, am Mittwochabend findet eine Podiumsdiskussion zum Thema „Rolle der Religion in der heutigen Gesellschaft“ statt, zu der auch Vertreterinnen und Vertreter aus der römisch-katholischen und der evangelischen Kirche sowie des islamischen Glaubens eingeladen sind. Der Bahaismus versteht sich als unabhängige monotheistische Religion. Sie ging im 19. Jahrhundert als eigenständige Offenbarungsreligion aus dem schiitischen Islam Persiens hervor.

„Das Tor“ als Vorgänger Baha’ullahs

Bab (arabisch: Tor) ist der Würdename des Stifters der Babi-Religion (Babismus). Ali Mohammed aus Schiras lebte von 1819 bis 1850. Er proklamierte sich selbst als den Bab, die Manifestation des Kommenden. Als Legitimation diente ihm eine Auslegung der 12. Sure des Korans, der Josefssure.

Lotus-Tempel der Bahai in New Delhi, Indien

Reuters/Pablo Sanchez

Lotus-Tempel der Bahai in Delhi, Indien

In seinem Schriftwerk, dem Bayan, legte der Bab die Gesetze der neuen Religion nieder, durch die er die Lehren des Korans sozusagen für überholt erklärte. Der Bab war der Vorläufer und Ankündiger Baha’ullahs, in dessen Religion die Babi-Religion später aufging. Die Bahai betrachten die Texte des Bab aber noch immer als heilige Schriften.

Öffentlich hingerichtet

Obwohl der Bab der Prophet einer eigenständigen Offenbarungsreligion war, sei es Hauptzweck seiner Sendung gewesen, Baha’ullah anzukündigen, der 19 Jahre später auftrat, erklärt Adib Reyhani, Pressesprecher der Bahai-Religionsgemeinschaft Österreich, gegenüber religion.ORF.at. Der Unterschied seiner Lehre zum damals im Iran gelebten Islam jedenfalls sei krass gewesen, so Reyhani. Ali Mohammed, der Bab, wurde am 9. Juli 1850 öffentlich erschossen, viele seiner Anhänger verfolgt. Die Babi-Religion ging danach völlig in der Bahai-Religion auf.

Baha’ullah

Der Religionsoffenbarer („Herrlichkeit Gottes“) erklärte sich 1863 im Garten Ridwan in Bagdad zur Manifestation Gottes. Vor seinem Tod setzte er seinen ältesten Sohn Abdel Baha als Nachfolger ein.

Mirsa Hussein Ali Nuri (1817 bis 1892), genannt Baha’ullah (arabisch: Herrlichkeit Gottes) ist der eigentliche Stifter der Bahai-Religion. Baha’ullah ist für die Religionsgemeinschaft der „Verheißer aller Zeitalter“ und wird als der vorerst Letzte in einer Reihe von Propheten und Verkündern des Göttlichen angesehen. Bahai sind überzeugt, dass die Lehren aller Religionsstifter wie Mohammed, Jesus Christus und Buddha der gleichen göttlichen Quelle entstammen und den gleichen Idealen und Grundsätzen huldigen beziehungsweise sie verkünden.

Menschheitsentwicklung schreitet fort

Gott offenbart sich für die Bahai durch diese Propheten, die alle die Einheit und Einzigkeit der göttlichen Quelle verkünden. Religionswissenschaftler sprechen von einer inklusivistischen Einheitsvorstellung dieser jüngsten Weltreligion: Vorhergehende Schriften und Gesetze werden sozusagen als Stufen einer voranschreitenden Entwicklung der Menschheit betrachtet.

Bahai-Schrein in Haifa, Israel

Reuters/Baz Ratner

Bahai-Schrein in Haifa, Israel

So sind also Abraham, Moses, Jesus, Zarathustra, Krischna, Mohammed, Buddha und auch Baha’ullah für die Bahai Gesandte Gottes für ihre jeweilige Epoche. Jede Zeit bekommt das, was sie braucht, so die Vorstellung der Bahai. Der Bab könne in diesem Zusammenhang als „Ankündiger“ für Baha’ullah gesehen werden, ähnlich der Rolle, die Johannes der Täufer für Jesus Christus eingenommen habe, sagt Bahai-Sprecher Reyhani. Seine Schriften, die von den Bahai heute aufmerksam studiert werden, drehen sich um dieses Thema.

Geistiger und materieller Wohlstand für alle

Letztlich sei es das Ziel der Bahai, eine „Einheit der Menschen zu schaffen“, so der Sprecher der Religionsgemeinschaft gegenüber religion.ORF.at. Es werde geistiger und materieller Wohlstand für alle Menschen angestrebt - darin liege die Aufgabe der Bahai-Gemeinschaft. So sei jeder Bahai dazu aufgerufen, sich weiterzuentwickeln. In diesem Zusammenhang spielt das gleichwertige Zusammenspiel von Religion und Wissenschaft eine wichtige Rolle: Beide sollen gleich stark ausgeprägt sein, um den Fortschritt der Menschheit zu befördern, so Reyhani.

Bahai Center Austria in Wien

Bahai-Gemeinde Österreich

Veranstaltungshinweis

Podiumsdiskussion zum Thema „Rolle der Religion in der heutigen Gesellschaft“ im Bahai-Center, Maroltingergasse 2, 1140 Wien, am Mittwoch um 19.00 Uhr

Neun soziale sowie sechs geistige Prinzipien sieht die Bahai-Religion vor, unter anderem die Gleichberechtigung der Geschlechter und die „Beseitigung aller Formen von Vorurteilen“. Auch die „Anerkennung der grundsätzlichen Einheit der Weltreligionen“ spricht von dem hohen Anspruch an die Toleranz, den die Bahai-Religion sich stellt. Die „Harmonie zwischen Wissenschaft und Religion“ ist in den Grundlagen der Gemeinschaft ebenso zu finden wie die „Ausgewogenheit zwischen Natur und Technologie“.

Weltweit leben mehr als fünf Millionen Bahai in 235 Ländern und Territorien, wie auf der Website der Bahai in Österreich zu lesen ist. Somit sei die Bahai-Religion nach dem Christentum die geografisch am weitesten verbreitete Religion (bei dieser Information berufen sich die Bahai auf die Enzyklopaedia Britannica). In Österreich entstand ab 1911 eine Bahai-Gemeinde. Heute leben hier Bahai in rund 160 Städten und Ortschaften.

Johanna Grillmayer, religion.ORF.at

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