Historiker zu 1914: Kriegsmoral mit Religion hochgehalten

Die Heeresführung der österreichisch-ungarischen Truppen nutzte im Ersten Weltkrieg auch die Religion, um angesichts der großen Verluste die Moral der eigenen Soldaten hochzuhalten, so der Historiker Thomas Schulte-Umberg.

Das sagte er in einem Interview für die aktuellen Ausgaben der österreichischen Kirchenzeitungen zum 100. Jahrestag des Attentats von Sarajevo. Vor allem für die k.u.k. Armee habe Religion einen sehr hohen Stellenwert gehabt, sagte der an Universität Wien forschende Experte für Militärseelsorge im Ersten Weltkrieg: „Je länger der Krieg dauerte, desto mehr sah das Armeeoberkommando den ‚Nutzen‘ der Religion darin, die Kriegsmoral der Truppe hochzuhalten. Das findet sich ebenso in zentralen Anweisungen wie in der Erinnerung an den Fahneneid in Predigten.“

Anders als etwa die Armee des Deutschen Kaiserreichs hatte jedes Regiment der k.u.k. Armee einen eigenen Feldkuraten. Insgesamt standen so mehr als 4.000 Militärgeistliche aller Religionen und Konfessionen - unter ihnen allein 3.500 katholische Militärseelsorger - auf Seiten der österreichisch-ungarischen Truppen, schilderte Schulte-Umberg.

Opfertod „für Gott, Kaiser und Vaterland“

Zentrales religiöses Thema der im Krieg kämpfenden Soldaten war wenig überraschend der eigene Tod oder ihrer Soldatenkameraden. Die Militärgeistlichen hätten hier auf das Motiv des Opfertodes „für Gott, Kaiser und Vaterland“ gesetzt, „durchaus mit Analogien zum Opfertod Christi“, so der Historiker. „Im Verlauf des Kriegs hat es sich sicher abgenutzt.“

Kampfszene aus dem Ersten Weltkrieg

APA/dpa-Bildfunk

Kampfszene aus dem Ersten Weltkrieg

Katholizismus „Säule der Monarchie“

Kritisch beleuchtete Schulte-Umberg auch die damals beherrschende Lehre vom „gerechten Krieg“, die in der Kirche „bis über den Zweiten Weltkrieg hinaus“ eine „prägende Rolle“ eingenommen habe. „Das Töten gegnerischer Soldaten wurde als Konsequenz aus dem ‚gerechten Krieg‘ gesehen, in dem zu töten als notwendiges Übel erlaubt sei“, erklärte Schulte-Umberg. Geistliche hätten den Krieg auch als Strafgericht Gottes und Folge des Abfalls von Gott und seiner Kirche gedeutet. „Durch Umkehr und richtiges Verhalten, so die Hoffnung, sollte dann der Krieg beendet werden.“

In dem Interview zur Rolle der Kirche in der „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ verwies der Historiker zudem auf die enge Verbindung zwischen Kirche und österreichischem Kaiserhaus. Der Katholizismus sei schon vor dem Krieg eine der „Säulen der Monarchie“ gewesen. Im Krieg habe die Kirche „stabilisierend“ gewirkt, auch wenn der Krieg dazu beigetragen hätte, dass sich die Stimmung veränderte.

Hetze und Priester am Galgen

Schulte-Umberg verwies in diesem Zusammenhang auf Hetzattacken gegen slowenische Priester, die nach Kriegsbeginn der aktiven Sympathie für das Slawentum verdächtigt wurden. Noch „drastischer“ seien Beispiele aus Galizien und der Bukowina, wo die k.u.k. Armee auch Krieg gegen die eigene, angeblich russenfreundliche Bevölkerung führte, so der Historiker: „Wenn man Fotos von ‚Strafmaßnahmen‘ in ruthenischen Dörfern anschaut, dann hing dort manchmal der griechisch-katholische Priester mit der Dorfelite am Galgen. Häufig scheint man rein aus Verdacht gegen diese Menschen vorgegangen zu sein - besonders dann, wenn die Armee nicht erfolgreich war.“

religion.ORF.at/KAP

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