UNO-Experte: Religion nie alleinige Konfliktursache

Wenn weltweit von religiösen Konflikten oder religiöser Gewalt die Rede ist, dann treffe das selten bis nie zu, sagt der UNO-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit, Heiner Bielefeldt.

Kein Konflikt sei „rein religiös motiviert“, so Bielefeldt am Donnerstag bei einer Tagung der EU-Kommission, der Konrad Adenauer Stiftung und des Deutschen Menschenrechtsinstituts in Berlin. Religion sei zwar oft ein Faktor, jedoch „selten die Hauptursache und nie die alleinige Ursache“. Die verkürzte Darstellung berge die Gefahr einer „Entpolitisierung, wo die Politik dringend gefragt ist“, warnte der Experte.

In allen Regionen der Welt gebe es angeblich religiös motivierte Konflikte, so Bielefeldt. Beispiele seien etwa Boko Haram in Nigeria, die sunnitisch-extremistischen Terrorgruppe ISIS im arabischen Raum, Hindunationalisten in Indien oder radikale Buddhisten in Sri Lanka. Meist würden diese nichtstaatlichen Akteure in einem Klima der Straflosigkeit agieren.

Den Ursprung dieser Konflikte ortete Bielefeldt allerdings nicht in der Religion sondern in Krisen des Vertrauens in den Staat, Korruption oder Mafia-ähnlichen Strukturen in Polizei und Justiz, die zu einer fundamentalistischen Aufladung religiöser Identität führten. „Die religiöse Militanz entsteht in den Köpfen“. Einseitige Zuschreibungen seien jedoch fehl am Platz, gebe es doch in allen religiösen Traditionen immer gleichzeitig Gegenpositionen und Gegenstimmen, die es zu stärken gelte: „Die Religionen sind selbst Diskurs-Universen.“

Anhänger der betroffenen Religion gefragt

Für mehr Differenzierung trat bei der Tagung auch Thomas Schirrmacher vom Internationalen Institut für Religionsfreiheit der Evangelischen Allianz ein. Wie etwa bei den Muslimbrüdern in Ägypten würden sich innerhalb der Religionen immer wieder enttäuschte Anhänger auch abwenden.

Gerade die Anhänger der betroffenen Religion sehe er in besonderer Verantwortung: Als etwa der fanatische US-Pastor Terry Jones den Koran öffentlich verbrennen wollte, hätten sich hohe Kirchenvertreter sofort im arabischen Nachrichtensender distanziert und Christen mit Menschenketten eine gefährdete Moschee geschützt. Eine „Showdown“-Stilisierung in den Medien sei hingegen eindeutig abzulehnen.

religion.ORF.at/KAP