Papst empfing erstmals Missbrauchsopfer

Papst Franziskus hat am Montag drei Stunden mit Opfern von sexuellem Missbrauch durch Kleriker verbracht und ihnen zugehört. Das Treffen sei intensiv und bewegend gewesen, berichtete Vatikansprecher Federico Lombardi.

Vor den ausführlichen Treffen mit den sechs Missbrauchsopfern aus Deutschland, Irland und Großbritannien hat Papst Franziskus während der Frühmesse im Namen der Kirche um Vergebung für die Verbrechen gebeten. Das Leid der Opfer laste schwer auf dem Gewissen der Kirche, sagte er am Montag in seiner Predigt vor den Betroffenen. „Ich bitte auch dafür um Vergebung, dass Kirchenverantwortliche es unterlassen haben, angemessen auf Berichte über Missbrauch zu reagieren“, sagte der Papst. Dieses Verhalten habe zu noch mehr Leid geführt und das Risiko für andere Minderjährige vergrößert.

Papst: „Abscheuliche Taten durch Kleriker“

Die abscheulichen Taten durch Kleriker hätten bei den Missbrauchten schwerste Narben hinterlassen, Familien belastet und bei den Opfern nicht selten zur Flucht in die Sucht oder gar zu Selbstmorden geführt, fügte Franziskus hinzu. „Wir müssen alles in unserer Macht tun, um zu garantieren, dass diese Sünde in der Kirche keinen Platz hat.“

Dafür müsse die Ausbildung von Klerikern genau überwacht und der Schutz von Kindern und Jugendlichen in der Kirche weiter verbessert werden. Er zähle dabei auf die Empfehlungen der von ihm eingerichteten Kinderschutzkommission, die am Sonntag und Montag im Vatikan tagte. „Alle Bischöfe müssen ihren pastoralen Dienst mit größter Sorgfalt ausüben, um den Schutz von Minderjährigen zu fördern, und sie werden dafür zur Verantwortung gezogen“, versicherte Franziskus.

Papst Franziskus mit Mikrofon

Reuters/Giampiero Sposito

Papst Franziskus

Papst: Missbrauch „ein Sakrileg“

Angekündigt hatte Franziskus das Treffen bereits Ende Mai während des Rückflugs aus Israel. Bei dem Flug bezeichnete der Papst den Missbrauch Schutzbedürftiger als „ein Sakrileg“ und vergleichbar mit einer „schwarzen Messe“. Jedes Missbrauchsopfer wurde von einem Angehörigen oder einer Vertrauensperson begleitet, die bei der Übersetzung der Predigt half. Danach habe Franziskus mit jedem der Opfer rund eine halbe Stunde lang gesprochen, so Lombardi.

Zur Gruppe gehört auch die Irin Marie Collins, Mitglied einer Kommission zum Schutz von Minderjährigen vor sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche, die der Papst im März eingesetzt hatte. Die aus Dublin stammende Collins war in den 60er Jahren von einem katholischen Priester sexuell missbraucht worden und engagiert sich seit längerem für einen besseren Schutz von Kindern in Einrichtungen der katholischen Kirche.

Treffen seit langem gefordert

Das Treffen wurde von Opfervertretern seit langem gefordert. Franziskus hatte den Missbrauch an Kindern durch Geistliche mehrfach gebrandmarkt und „null Toleranz“ für die Täter angekündigt. Die katholische Kirche wird schon seit Jahren durch zahlreiche Missbrauchsfälle aus den vergangenen Jahrzehnten weltweit erschüttert. Hunderte Geistliche wurden ihrer Priesterämter enthoben.

Nach Angaben des Vatikans wurden den internen Ermittlern im vergangenen Jahrzehnt 3.420 Verdachtsfälle gemeldet. Wie die katholische Zeitung „L ´Avvenire“, Sprachrohr der italienischen Bischofskonferenz CEI, am Montag berichtete, hat der Vatikan zwischen 2004 und 2013 848 Priester wegen Kindermissbrauchs zwangslaisiert. Weitere 2.572 Priester wurden mit weniger drastischen Maßnahmen bestraft.

Die katholische Kirche war vom Skandal um jahrzehntelangen Missbrauch an Heranwachsenden in zahlreichen Ländern massiv erschüttert worden. Franziskus’ Vorgänger Benedikt XVI. hatte am 14. April 2008 bei seinem Besuch in den USA als erster Papst Missbrauchsopfer getroffen. Mit weiteren Opfern traf Benedikt bei seinen Reisen nach Australien, Malta, Großbritannien und Deutschland zusammen.

Kinderschutzkommission tagte zum zweiten Mal

Am Sonntag und Montag trat in Rom die neue päpstliche Kinderschutzkommission zu ihrer zweiten Sitzung zusammen. Sie erarbeitet Vorschläge für eine wirksamere Prävention von sexuellem Missbrauch. Geleitet wird die Kommission von Kardinal Sean Patrick O’Malley aus Boston. Die Hälfte der achtköpfigen Kommission sind Frauen.

In seiner Predigt dankte der Papst den sechs Missbrauchsopfern für ihre Reise in den Vatikan. „Ihre Anwesenheit spricht vom Wunder der Hoffnung, die die tiefste Dunkelheit überdauert“, so der Papst. Als PR-Veranstaltung kritisierte das deutsche Netzwerk Betroffener von sexueller Gewalt das Treffen. Der Papst schare lieber strenggläubige Missbrauchsopfer um sich und bete mit ihnen, anstatt die Betroffenen angemessen zu entschädigen, so der Vorsitzende des Netzwerkes, Norbert Denef. Begegnung auf Augenhöhe sehe anders aus.

religion.ORF.at/KAP/dpa/APA

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