Vatikan: Ermittlungen gegen Ex-Nuntius ausgeweitet

Der Vatikan hat seine Ermittlungen wegen Kindesmissbrauchs und Besitz von Kinderpornografie gegen den früheren Nuntius in der Dominikanischen Republik, Jozef Wesolowski (66), auf mehrere Länder ausgeweitet.

Die Untersuchung soll auf jene Länder ausgedehnt werden, in denen der Geistliche in den vergangen Jahren tätig war, berichtete die Mailänder Tageszeitung „Corriere della Sera“ (Online-Ausgabe). Die Liste der Länder, in denen der 65-Jährige Kinder sexuell missbraucht haben könnte, ist lang. Wesolowski, der am Dienstag im Vatikan festgenommen worden war und sich seitdem unter Hausarrest befindet, war unter anderem Nuntius in Bolivien und in Zentralasien (Kasachstan, Tadschikistan, Kirgisistan und Usbekistan). Davor war er in Afrika, Costa Rica, Japan, in der Schweiz, in Indien und in Dänemark.

Erzbischof Jozef Wesolowski

APA/EPA/Orlando Barria

Jozef Wesolowski

Sechs bis sieben Jahre Haft

Das Verfahren gegen Wesolowski soll laut Vatikansprecher Federico Lombardi noch im laufenden Jahr, spätestens aber Anfang 2015, beginnen. Die Anklage stütze sich auf Kirchendokumente sowie auf Beweise der Ermittlungsbehörden in der Dominikanischen Republik.

Lombardi zufolge drohen Wesolowski sechs bis sieben Jahre Haft, sofern sich die Vorwürfe nicht ausweiten sollten. Sollten die Missbrauchsopfer jünger als 14 Jahre sein, könnte die Strafe auch höher ausfallen. Eine etwaige Haftstrafe müsste Wesolowski vermutlich in einem italienischen Gefängnis absitzen, da es im Vatikan keine geeigneten Räumlichkeiten für Langzeithäftlinge gibt. Wesolowski wurde ein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt.

Nach Vatikan-Angaben stehen außerdem zwei weitere Bischöfe wegen Kindermissbrauchs im Vatikan vor Gericht. Dabei handelt es sich um einen Chilenen und einen Peruaner. Sie sollen einem Prozess nach Kirchenrecht, allerdings keinem Strafverfahren unterzogen werden, weil sie keine Vatikan-Bürger sind.

Kasper: „Paradigmenwechsel“

Lob für das Vorgehen des Vatikans gegen Wesolowski kommt vom deutschen Kurienkardinal Walter Kasper, der als enger Vertrauter des Papstes gilt. Er sieht darin einen „Paradigmenwechsel“ innerhalb der katholischen Kirche. „Es gab eine Zeit, in der Priester geschützt wurden“, sagte Kasper gegenüber dem „Corriere“ (Donnerstagausgabe). Inzwischen jedoch würden „die Dinge von der Seite der Opfer betrachtet“. „Die Linie des Papsts ist klar, auf dem Weg gibt es kein Zurück mehr“, sagte Kasper.

Wesolowski ist der erste Vertreter aus der Riege der Geistlichen in der jüngeren Geschichte des Vatikans, der sich im Kirchenstaat vor Gericht verantworten muss. In den vergangenen Jahren wurde das Vertrauen in die katholische Kirche durch das Bekanntwerden zehntausender Missbrauchsfälle durch Kirchenangehörige schwer erschüttert. Anfang Juli bat Franziskus beim Empfang von Missbrauchsopfern pädophiler Priester diese um Vergebung.

Seit Juni laisiert

Wesolowski war am Dienstag im Vatikan von der Gendarmerie unter Hausarrest gestellt worden. Damit habe man einer Flucht und einer Verwischung von Beweismaterial vorbeugen wollen, so Lombardi. Der polnische Geistliche ist als Diplomat des Heiligen Stuhls vatikanischer Staatsbürger und muss sich daher auch vor der weltlichen Gerichtsbarkeit des Vatikanstaats verantworten.

Im Juni war er nach einem kirchenrechtlichen Prozess der Glaubenskongregation aus dem Priesterstand entlassen worden. Wesolowski legte Berufung gegen die Entscheidung ein. Nach dem Bekanntwerden von Vorwürfen war der Nuntius wegen sexuellen Missbrauchs im August 2013 vom Vatikan von seinem Botschafterposten in der Dominikanischen Republik abberufen worden.

religion.ORF.at/KAP/APA

Mehr dazu: